Iran, Israel, Mossad, CIA

Allah liebt mich

„Allah liebt mich“ ist ein Spionage-Action-Thriller, dessen Handlung sich in Maschhad im Iran vor der islamischen Revolution, in Teheran, in Jerusalem und in New York abspielt und in der der Mossad und der CIA verwickelt sind. Das Buch wurde in einer der Kritiken mit den Büchern von John le Carré verglichen. Die Hauptperson des Romans ist Ali Bidbadi, ein iranischer Wissenschaftler, dessen Mutter Ssuraja als Ssiga arbeitete, also als Frau, die ein Mann, der für lange Zeit außer Hauses weilt, temporär heiratet. Im vorliegenden Ausschnitt, dessen Handlung sich etwa 1958-1960 abspielt, treffen wir die junge und schöne Ssiga, eine verfolgte Kommunistin, und ihren temporären Partner, den Ajatolla Asem Tabatabai, einen schiitischen Priester, den biologischen Vater der Hauptfigur, worüber Ali erst spät in seinem Leben erfährt.

Avraham Benmelech wurde 1942 in Jerusalem geboren. Als er zu schreiben begann, wählte er den Namen Benmelech, was wörtlich Sohn des Königs bedeutet, aber das Wort Melech ist zugleich ein Akronym der Namen seiner Eltern Mordechai und Lea Cohen. Er war Journalist bei „Kol Israel“ und erhielt dreimal Preise für seine künstlerischen und journalistischen Erfolge. Nach seiner Pensionierung kehrte er zurück zu seiner ersten Liebe: Zum Schreiben von Geschichten.  

Bemerkung zur Aussprache: Das S in Ssuraja und Ssiga ist stimmlos, das S in Asem ist stimmhaft.

"Allah liebt mich" ist ein Spionage-Action-Thriller, dessen Handlung sich in Maschhad im Iran vor der islamischen Revolution, in Teheran, in Jerusalem und in New York abspielt und in der der Mossad und der CIA verwickelt sind.  von Avraham Benmelech

Allah liebt mich

von Avraham Benmelech

Übersetzung: Uri Shani

Eine jüdische Hexe

Ssuraja saß auf dem Bett, mit dem Rücken zur Wand, die Beine angewinkelt, ihr Körper in ein Laken eingehüllt. Nur ihr Kopf und ihr Hals waren sichtbar. Der Wind aus dem offenen Fenster spielte mit ihrem Haar, und das bleiche Mondlicht beleuchtete ihr Gesicht.

Asem lag neben ihr auf dem Rücken und rauchte eine Zigarette.

Er wollte mit der Frau neben ihm sprechen, er spürte das Bedürfnis, ihre Stimme zu hören, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Mit seiner Frau in Teheran sprach er fast nicht, und vor allem nicht im Bett.

„Pass auf, dass du mich nicht mit der Zigarette verbrennst. Männer schlafen immer ein“, sagte Ssuraja.

„Keine Sorge“, sagte Asem, und eigentlich wollte er sagen: ‚Mit dir werde ich nie einschlafen‘.

„Hoffentlich.“ Ssuraja wollte ihn beherrschen, ihn in Spannung halten. Er sollte nichts als selbstverständlich verstehen.

„Ich weiß über dich eigentlich nichts, außer dass du die schönste und befriedigendste Frau der Welt bist.“

Wenn er sich nicht gefürchtet hätte, hätte er sich ihr nochmals genähert. Ihre bleichen halboffenen Lippen geküsst, und nicht nur sie. Der Duft ihres Körpers erregte ihn wieder. Aber ich bin doch ein ehrenvoller und gebildeter Mann, dachte er, und sie ist eine „Frau für den Moment“, auch wenn sie unglaublich schön war. Anziehend, aber trotzdem nur eine Ssiga, und eine Ssiga küsst man nicht. [Eine Ssiga, im schiitischen Islam, ist eine Frau, die ein Mann, der für lange Zeit außer Hauses weilt, temporär heiratet. Anmerkung des Autors] Aber sofort widersprach er sich selber: Und wie hat er sie geküsst! Schade, war sie nicht seine Frau. Er zerdrückte die Zigarette an einem der Stäbe, die den Baldachin über dem Bett hielten, aus, versuchte die Kippe durch das Fenster zu werfen, aber verfehlte. Er blickte sie an. Die Dunkelheit und das Mondlicht steigerten ihren Anmut.

Ssuraja lachte ihn aus: „Du Armer. Schaffst es nicht, dein Ziel zu treffen.“

„Erzähle mir über deine Familie. Ich bin neugierig.“

„Das sollte man fragen, bevor man miteinander schläft“, stichelte sie.

„Stimmt. Aber das macht man, wenn man eine Frau zeitlebens heiratet“, antwortete er schlagfertig.

„Warum interessierst du dich also? Ich bin ja nur eine Ssiga.“

„Schon. Aber – „,  und er bekämpfte die Gefühle, die in ihm hochstiegen.

„Bevor ich heiratete, war mein Name Bachtiar, mein Vater ist in Isfahan geboren, er war Ingenieur in den Raffinerien von Abadan.“

„Bachtiar.“ Er wiederholte den Namen. „Bachtiar. Du bist eine sehr gefährliche Frau.“

Ssuraja lachte vergnügt, dann erzitterte sie, als sie an den gefürchteten Führer des Savak dachte, der General Teymur Bachtiar. Die Bachtiars, ein persischer Stamm aus den Bergen südlich von Kurdistan, hatten in ihrer Gegend Angst verbreitet. Mutige Straßenräuber, Krieger und Rebellen, die ein autonomes Leben führten und keine Regierung wagte es zu versuchen, sie zu bezwingen, aber der erste Pahlawi-Shah tat es, und sie verließen die Berge und siedelten sich in den Städten an. Viele fanden Arbeit in den britisch-persischen Ölraffinerien, wie Ssurajas Großvater und Vater, und waren Teil der Gesellschaft. Die Königin Ssuraja war von diesem Stamm.

„Auch deine Mutter ist eine Bachtiar?“

„Meine Mutter ist eine Chikmet. Schon hundert Jahre in Isfahan, und davor in Maschhad.“

„Chikmet.“ Asem sprach den Namen langsam aus. „Das heißt, du bist …“ Er stockte.

„Sei unbesorgt, ich bin befleckt.“

 Asem schwieg. Chikmet war ein Name von neuen Muslims. Das war der Name, den die weitverbreitete Familie Chacham angenommen hatte, als sie am Ende des 19. Jahrhunderts zum Islam übergetreten waren, aber noch irgendwie zum Judentum gehören wollten, damit, wenn eines Tages die Macht der Bösen sich schwächen sollte, sie wieder Juden sein konnten und zu ihrem Namen Chacham zurückkehren konnten. [Chacham heißt auf arabisch „Rabbiner“. Der Übersetzer] In der Geschichte der persischen Juden sind die Juden von Maschhad bekannt, die gezwungen wurden, zum Islam zu konvertieren, dann aber wieder zum Judentum zurückkehrten. Aber viele blieben Muslime, und die Erinnerung daran, dass sie einmal Juden waren, blieb nur in ihrem Namen.

„Auch meine Großmutter ist eine Chikmet, und sogar die Großmutter meiner Großmutter war eine Chikmet.“

Asem war fast beruhigt. „Die Großmutter ist eine Muslime?“

„Ja, aber wenn ich befleckt bin, kannst du gehen. Ich geb Dir das Geld zurück, außer der Bezahlung für die vier Tage, die ich Deine Ssiga war.“

„Oh, ich wünschte, du wärst für immer mein.“

Der Gedanke, dass er sich von dieser Frau trennen müsste, ärgerte ihn. Er verstand auch, was das Geheimnisvolle an dieser Frau war und wollte ihren Willen tun. „Du bist keine Jüdin, Ssuraja. Der Prophet und die Imame wollen, dass die Juden sich uns anschließen. Du bist nicht ‚befleckt’…“ Fast hätte er gesagt „meine Liebe“, aber hielt sich im letzten Moment zurück. „Schöne Ssuraja, was war, ist vorbei. Jetzt bist du mein.“

„Und wenn ich eine Jüdin wäre“, versetzte sie, seine Beschwichtigung zurückweisend.

Asem antwortete nicht. Es hatte in seinem Leben schon eine Jüdin gegeben.

„Du hasst Juden. Hast vielleicht Angst vor ihnen, aber bestimmt hasst du sie“, urteilte sie.

„Das stimmt. Ich mag Juden nicht. Schiiten mögen keine Juden.“

„Warum?“

„Weil sie befleckt sind.“

„Warum sind sie befleckt?“

„Sie sind böse. Korrupt und faul. Der Prophet hat gesagt, dass sie Nachkommen von Schweinen und Affen sind.“

„Aber im Koran steht auch, dass sie Kinder Abrahams sind, Auserwählte Gottes, so hat meine Großmutter gesagt.“

„Stimmt, das steht geschrieben. Aber sie haben dem Propheten den Rücken zugekehrt, und deshalb haben sie ihre Rechte verloren. Die Imame haben ihnen das Allerbeste im Land zwischen den beiden Strömen angeboten. Die Juden haben sie verspottet, und seither werden wir sie nicht los. Eure Familie und andere Familien sind ehrenhaft und gerne aufgenommen worden, ihr Blut ist mit unserem Blut vermischt, aber viele sind als Juden hier im Land geblieben und sie quetschen uns aus, machen faule Geschäfte, hintergehen uns und nicht nur uns. Sie sind das Element des Schlechten in der Welt.“

„Mein Vater hat gesagt, dass Muslime Juden hassen, weil es eine enttäuschte Liebe sei. Von wem hat der Prophet über Gott erfahren? Er hat bei den Juden gelernt. Du sprichst, wie wenn sie dich selber verletzt hätten.“

Der Mann im Bett zuckte zusammen. In ihren bachtiarischen Jagdgenen spürte sie, dass sie einen empfindlichen Nerv getroffen hatte – verstand, dass wahrscheinlich eine schöne Jüdin ihn einmal verletzt hatte. Sonst hätte er seine Abneigung nicht so demonstriert. In der ‚Tudeh‘ [der kommunistischen Partei des Iran, Anmerkung des Autors] sagte man ihr, dass Männer im Kapitalismus Frauen wegen enttäuschter Liebe töteten. Auch nachdem sie sie umgebracht haben, lieben sie sie noch immer. Er liebte seine Jüdin immer noch.

Ssuraja wartete, wollte sehen, ob ihre Worte ihn erzürnten. Er erbleichte, aber reagierte nicht. Hatte Angst, sie zu verlieren.  

„Mein Mentor in der Jugendorganisation der ‚Tudeh‘ lehrte uns, dass alles im Leben eine Reaktion auf etwas ist, was vorher geschehen ist.“

„Auch deine Kommunisten haben die Juden erfunden. Alles Schlechte in der Welt ist eine jüdische Erfindung.“

Ssuraja wollte ihm eine Ohrfeige runterhauen. Viele Male war ihr das Blut in den Kopf gestiegen, wenn sie solche Dinge über ihre jüdischen Vorväter gehört hatte. Aber die Lehrer verziehen ihr und sagten, dass ihre Frechheit von dem wenigen jüdischen Blut komme, das in ihren Adern fließe, und von ihrem widerspenstigen Charakter.

„Nicht einmal die Nazis hätten mich als Halb- oder Vierteljüdin eingestuft. Aber du vergisst nicht.“

„Was?“

„Was eine Jüdin, die du wolltest, dir angetan hat.“

„Jüdische Hexe“, sagte er und lachte. Auch wenn sie Satans Frau persönlich gewesen wäre, hätte er nicht von ihr gelassen.

Und auch sie beschloss, nicht von ihm zu lassen. Mit ihren langen Fingern wühlte sie in seinem Haar und kratzte mit ihren Fingernägeln an seinem Hals. „Sie war jung und schön, und auch du warst jung. Sie war klug, und du warst dumm“, flüsterte sie.

Trotz des kühlen Windes durchfuhr ihn eine heiße Welle.

Diese Frau liest Gedanken. Eine jüdische Hexe. Du bist tief in meine Seele eingetaucht und hast ein Geheimnis erraten.

„Die schöne Ssuraja“, sagte er. Wieder wollte er ‚meine wunderbare Geliebte‘ sagen, aber er hatte den Mut nicht. ‚Du bist nicht nur schön, sondern auch klug und kannst in die Tiefen der Seele eindringen. Du liest in meiner Seele wie in einem Kinderbuch mit großen Lettern.‘ Aber wieder hatte er nicht den Mut dazu. Anstatt dass er sie beherrschte – beherrschte sie ihn. Erschütterte und betörte ihn. Seit er diese persische Händlerstochter geliebt hatte, hatte ihn nichts so ergriffen.

„Ich erzähle dir alles, aber nicht in dieser Nacht.“

Er umarmte sie. Je länger sie bei ihm war, desto stärker war die Anziehung dieser fremden und unergründlichen Frau. „Jetzt will ich“, eigentlich wollte er sagen ‚muss, brauche dich‘. Er wollte sie auf die Stirn küssen, aber sie stieß ihn von sich. Ihr Zorn war noch nicht verflogen.

„Vielleicht morgen erzähle ich es dir.“

„Wie in Tausend und einer Nacht.“

Ssuraja behielt das letzte Wort, bevor sie auf seine Umarmung reagierte. Er war ein ungebildeter und zurückgebliebener Mann, und wer weiß, was sie noch über ihn erfahren würde. Was für dunkle und schlimme Dinge. Aber sie war jung und gesund, und er war gutaussehend. Und außerdem bezahlte er, viel Geld, viel mehr, als jede Mitgift, die sie hätte erhalten können. Sein Körper schmiegte sich an ihren, und als der Wind am Fenster vorbeiging, lauschte er ihrem stillen Atem, und viele Gedanken beschleunigten seinen Herzschlag.

"Allah liebt mich" ist ein Spionage-Action-Thriller, dessen Handlung sich in Maschhad im Iran vor der islamischen Revolution, in Teheran, in Jerusalem und in New York abspielt und in der der Mossad und der CIA verwickelt sind.  von Avraham Benmelech

Uri Shani ist in der Schweiz geboren und lebt seit 35 Jahren in Israel. Er ist professioneller Übersetzer für Literatur aus dem Hebräischen ins Deutsche. Sein "Übersetzer-Credo" könnt ihr im Link nachlesen:

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Benjamin
Benjamin
4 Jahre

Sehr schoen! Ich finde, mehr als Grisham hat es etwas von Salman Rushdie, angehaucht mit einem Kuss aus 1001 Nacht…und wie Bialik ueber Uebersetzungen sagte, auch sie ist ein Kuss, gegeben durch ein Seidetuch…

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