Israelische Cyberfirma NSO auf der schwarzen Liste der USA

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Re:Levant stellt von jetzt ab einmal die Woche israelische Zeitungsartikel vor, die aus dem hebräischen übersetzt werden. Diese Woche geht es in einem Ynet Artikel, über den israelischen Technologiekonzern NSO, der ziemlich viel Wirbel ausgelöst hat. 

Lektorat: Nina Zivy

NSO vs USA

Die USA wirft dem Technologieunternehmen NSO vor, ihre nationale Interessen zu verletzen. Die Firma verkaufe „Spyware, die Regierungsgegner zum Schweigen bringt“.

In einem beispiellosen Schritt haben die Vereinigten Staaten zwei israelische Cyberfirmen – die NSO and Candiru – zu „ihren nationalen Interessen zuwiderlaufenden Entitäten“ erklärt. Sollten die USA bei dem Entscheid bleiben, würde das die Exportkapazitäten der beiden Unternehmen signifikant einschränken. Einem politischen Statement war folgendes zu entnehmen:

„Israel wurde über diese Entscheidung informiert, kurz bevor sie veröffentlicht wurde, und untersucht die möglichen Konsequenzen“.

Eine umfangreiche internationale Ermittlung rückte die NSO Spyware „Pegasus“ in den Fokus des Geschehens, weil sie Fernüberwachungen über Smartphones ermöglicht. Die Resultate der Untersuchung brachten die unangenehme Tatsache ans Licht, dass die Software gegen Journalisten und Menschenrechtsaktivisten eingesetzt wird.

Das US-Handelsministerium sagte am Mittwoch in einer Erklärung, dass sowohl die NSO als auch Candiru umgehend auf die schwarze Liste gesetzt würden. Beide Firmen seien an böswilligen Cyberaktivitäten beteiligt und liefen damit dem nationalen Interesse der USA zuwider.

Die Schwarze Liste

Bidens Regierung hat Israel kurz vor Veröffentlichung der Erklärung über den Schritt informiert, dessen Bedeutung noch untersucht wird. Eine israelische Quelle sagte, dass die Ankündigung des US-Handelsministeriums weniger streng gewesen sei als diejenige des Außenministeriums. Trotzdem habe diese Entscheidung Folgewirkungen für die Wirtschaft, und diese würden jetzt untersucht. Es ist das erste Mal, dass auf diese Weise gegen israelische Unternehmen vorgegangen wird.

Auch zwei Unternehmen aus Singapur und Russland wurden auf die schwarze Liste der USA gesetzt. Grundlage für die Entscheidung waren Beweise, dass „diese Unternehmen Spyware für ausländische Regierungen entwickelt und bereitgestellt haben. Die Software wurde als Werkzeug verwendet, um Regierungsbeamte, Journalisten, Geschäftsleute, Aktivisten, Akademiker und Botschaftspersonal böswillig anzugreifen“.

Im Zentrum dieser Vorwürfe steht die Pegasus Software der NSO. Laut der Ankündigung „wurden die Tools von ausländischen Regierungen unter anderem für transnationale Repressionen verwendet. Mit dieser Methode schaden autoritäre Regierungen Regimegegnern, Journalisten und Aktivisten außerhalb ihrer souveränen Grenzen, um die Opposition zum Schweigen zu bringen. Solche Handlungen gefährden ein auf Recht und Ordnung basierendes internationales Gefüge.“

NSO, Hauptquartier
NSO Firmensitz (Foto: Reuters)
Der Stand von NSO auf der Messe 2019. Jegliche Verbindung zu den Telefonlisten, die bei der Untersuchung eingereicht wurden, wurden geleugnet (Foto: Reuters)
Der Stand des Unternehmens auf der Messe 2019. Jegliche Verbindung zu den Telefonlisten, die bei der Untersuchung eingereicht wurden, werden geleugnet (Foto: Reuters)

Konsequenzen für die NSO

Der Entscheid wird die Exportkapazität der auf der schwarzen Liste aufgeführten Unternehmen voraussichtlich einschränken. Er wurde vom „End User Audit Committee“ (ERC) entgegengenommen, einem vom US-Handelsministerium geleiteten Ausschuss. Die Entscheidung betrifft vier Unternehmen – die beiden israelischen und die Firmen aus Singapur und Russland. Der Ausschuss stellte fest, dass das Verhalten dieser vier Unternehmen genügend Bedenken aufwirft, um sie auf die schwarze Liste zu setzen. Auf die Liste kommen Produkte, die im Verdacht stehen, Interessen der nationalen Sicherheit oder der US-Außenpolitik zuwiderzulaufen. Sie ist ein Instrument, um die Ausfuhr solcher Produkte samt ihrer bedenklichen Aktivitäten zu unterbinden.

„Die Vereinigten Staaten sind entschlossen, Export-Kontrollinstrumente aggressiv einzusetzen. Wir werden Unternehmen zur Rechenschaft ziehen, die Technologien entwickeln, handeln oder verwenden, um böswillige Aktivitäten durchzuführen, welche die Cyber-Sicherheit von Vertretern der Zivilgesellschaft, Opponenten, Regierungsbeamten und Organisationen bedrohen“.

Gina Raymondo, US-Handelsministerin

Das US-Handelsministerium präsentierte den Schritt als Teil der Bemühungen der Biden-Administration, die Menschenrechte in den Mittelpunkt ihrer Außenpolitik zu stellen. Teil davon ist ein hartes Durchgreifen gegen den Einsatz digitaler Werkzeuge, die von Unterdrückern für die illegale Überwachung verwendet werden.

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Die Pegasus-Software verwandelt ein Smartphone in ein Spionagegerät für alles
(Übersetzung: AFP)

Pegasus verwandelt Smartphones in Spionagegeräte

Das US-Außenministerium stellte danach klar, dass die ergriffenen Schritte gegen Unternehmen und nicht gegen Bundesstaaten oder Regierungen gerichtet sind. „Wir gehen nicht gegen Staaten oder Regierungen vor, in denen diese Unternehmen ansässig sind“, hieß es.

Die NSO antwortete auf die Ankündigung: „Die NSO bedauert die Entscheidung, da unsere Technologien die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten unterstützt. Wir tragen ihre Politik zur Verhinderung von Terrorismus und Kriminalität mit und werden die nötigen Schritte unternehmen, um die Entscheidung rückgängig zu machen. Gerne werden wir vollständige Informationen bereitstellen, um unsere Vorgehensweise offenzulegen.

Des weiteren teilte die NSO mit: Wir halten uns an die strengsten Menschenrechtsverfahren und identifizieren uns zutiefst mit den Menschenrechtsprogrammen, denen amerikanische Werte zugrunde liegen. Dies hat uns bereits dazu veranlasst, unsere Zusammenarbeit mit Regierungsbehörden zu beenden, [die unsere Produkte missbraucht haben].“

Eine verhängnisvolle Liste

Wie bereits berichtet, verkauft die NSO die Spyware „Pegasus“ an Regierungen auf der ganzen Welt. Die Software kann sowohl auf Android- als auch auf iPhone-Geräten installiert werden und somit jedes Smartphone in ein Spionagewerkzeug verwandeln. Der Einsatz dieses Spionagetools durch verschiedene Regierungen steht seit mehreren Jahren unter der Beobachtung der globalen Medien. Als jedoch im vergangenen Juli eine Untersuchung von 17 Medienpartnern aus der ganzen Welt publik gemacht wurde, brach zum ersten Mal ein Sturm der Empörung los. Durch undichte Stellen waren die Medien an eine Liste von 50’000 Telefonnummern gelangt, welche auf die eine oder andere Weise mit den Kunden der NSO in Verbindung gebracht wurden.

Das Unternehmen bestritt jede Verbindung zu der Liste. Sie enthält die Telefonnummern von Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Geschäftsleuten und hochrangigen Politikern, darunter Staatschefs wie dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Die Tatsache, dass der Name des französischen Präsidenten auf der Liste stand provozierte Spannungen mit Israel. Verteidigungsminister Benny Gantz stellte klar, dass Macrons Telefon nicht mit israelischer Software gehackt worden war.

Am Rande der Klimakonferenz in Glasgow trafen sich Macron und Premierminister Naftali Bennett zum ersten Mal. Laut einer politischen Quelle waren sie sich einig, dass das Thema weiterhin diskret, professionell und für beide Länder transparent behandelt werden soll. „Die beiden Länder haben vereinbart, ihre Zusammenarbeit zu stärken und nach vorne zu blicken“.

In den Tagen nach dem ersten Leak veröffentlichten die Medien noch eine Reihe weiterer Berichte über die angebliche Nutzung der Pegasus Software. Unter anderem soll der Herrscher von Dubai seine Tochter ausspioniert haben, die vor ihm fliehen wollte, und sie im Rahmen seines vielbeachteten Sorgerechtstreits mit seiner nach Großbritannien geflohenen Ex-Frau ausgenutzt haben.

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Der Herrscher von Dubai, Scheich Muhammad bin Rashd al-Maktoum, und seine Ex-Frau Prinzessin Haya (Foto: AP)

Was sagt die Knesset?

Weltweite Aufmerksamkeit erregten auch die Aktivitäten des zweiten israelischen Unternehmens, das in den USA auf die schwarze Liste gesetzt wurde. Im vergangenen Juli wurde bekannt, dass die Cyberfirma Candiru seinen Kunden Tools verkauft hatte, die das Hacken von Computern mit Windows Betriebssystemen ermöglichen.

Microsoft selbst gab bekannt, dass ein Unternehmen mit „Sitz in Israel“ Schwächen seines Betriebssystems ausgenutzt hatte. Das Unternehmen wurde in der Mitteilung jedoch nicht namentlich genannt. Des weiteren wird behauptet, dass Candiru Tools verkauft habe, die das Hacken von Google Chrome-Browsern ermöglichen.

Knessetmitglied Mossi Raz (Meretz) kommentierte die US-Ankündigung zur NSO mit: „Diese Entscheidung war bloß eine Frage der Zeit. Diese Firma bringt nicht nur weltweite Schande über uns, sondern verwickelt Israel auch noch in ein diplomatisches Gewirr. Ihre Aktivitäten sind gefährlich und schädlich und sollten von Israel nicht geduldet werden. Ich werde mich sofort an den Verteidigungs- sowohl als auch den Premierminister wenden und Maßnahmen gegen die NSO fordern.“

Leah hat 2004 Alijah gemacht. In Deutschland war sie Regieassistentin am Münchener Residenztheater für Dieter Dorn tätig, am Berliner Ensemble und den Salzburger Festspielen von Claus Peyman engagiert.
Seit sie in Israel ist, beschäftigt sie sich mit Content und Community Management für High Tech Firmen.

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Rosebud
Rosebud
3 Jahre

Sehr interessant! Darf man fragen, wer der Uebersetzer des Artikels ist? Er hat es sehr gut uebersetzt…

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