Henry Jakubowicz, Israel, Menschen in Israel

In diesem Interview lernen wir den gebürtigen Dortmunder Henry Jakubowicz ein bisschen besser kennen. 

Erzähl uns ein bisschen über dich!

Ich bin am 10.08.1971 in Dortmund geboren. Meine Mutter ist in Israel aufgewachsen und war der israelisch-zionistische Einfluss und mein Vater ist Shoah Überlebender aus Polen, war der pro religiös-jüdische Einfluss. 

Mein Vater kam aus Polen und hat als Kind die Shoah überlebt und ist dann über Wien in Deutschland gelandet. Meine Mutter ist schon nach der Shoah noch in Polen geboren und ab ihrem 2ten Lebensjahr in Israel aufgewachsen. Ihr Vater hat Auschwitz überlebt und ihre Mutter – ursprünglich aus Sziget (Ungarn / Rumänien) – hat Bergen Belsen überlebt und irgendwie wurde ich dann in Dortmund geboren….Ich habe zwei Schwestern, eine lebt nach wie vor in Dortmund, die andere nicht so weit entfernt in Düsseldorf.

Ich bin Single und wohne in Tel Aviv – Israel. Religiös und Staat und lebe in der Mitte und dazwischen und manchmal daneben!

Wann bist du nach Israel gekommen?

Tag der offiziellen Alijah: 22.09.1995 (aber ich war schon 1992/1993 für 1 Jahr in Israel) 

Warum bist du hierher gekommen? Was hat dich dazu veranlasst? 

Ich bin weder vor dem Antisemitismus noch von der Kälte aus Deutschland weggegangen. Ich wollte nach Israel aus dem einfachen zionistischen Gedanken, dass jedes Volk eine Heimat hat und es jetzt die richtige Zeit für mich ist. Also ich habe das als etwas Spannendes, Richtiges und Positives gesehen, für mich!

Was machst du beruflich und wie bist du dazu gekommen? 

Ich bin seit über 20 Jahren im Tourismus tätig und hauptsächlich verkaufen wir Israel und bringen Touristen und versuchen Sie Israel in all seinen Facetten erleben zu lassen….

Wo hast du zuerst gelebt, als du hierher gekommen bist und wo hast du sonst so hier gelebt? 

Ich hatte einen recht einfachen Start mit den logistischen Fragen, da ich sofort in einer WG mit einem Freund eingezogen bin. Ich startete in Tel Aviv und wir waren damals eine Recht große Gruppe von Olim (Einwanderer). Das Logistische ging für mich, da ich auch ganz gut Iwrit sprechen konnte… Natürlich gab es hier und dort Herausforderungen, aber der Prozess im Kopf und an seinen Gewohnheiten zu arbeiten, war langfristiger und hatte seine ups and downs, aber viel mehr ups letztendlich.

Warst du in der Armee? Erzähle davon.

Da ich schon schon älter war (Mitte 20), musste ich nicht den ganzen Armeedienst leisten, sondern einen verkürzten. Am Anfang nach der Grundausbildung war ich bei der Artillerie, bin aber dann später zur Internationalen Pressesprecher Einheit der gewechselt und war beim Abzug aus dem Gaza Streifen 2005 dabei. Es ist ein Teil von Israel und ich  habe dort viel über die Vielfalt der israelischen Gesellschaft erfahren und die IDF ist ein Teil der DNA von Israel! Es war eine sehr wichtige und positive Erfahrung für mich und meine Aliya!

Bist du politisch und/oder gesellschaftlich aktiv?

Ich glaube, es gibt keinen der nicht in Israel politisch “aktiv” ist und seine Meinung vertritt, sei es bei der Arbeit, im Social-Media Bereich oder am Schabat Tisch. Du kannst in Israel fast nicht a-politisch sein…. Ich habe immer mal geliebäugelt mich einer Partei anzuschließen, war kurz Mitglied im Likud und schwanke im Mitte-Rechts politischen Milieu zwischen den Parteien. Israel und Politik ist sehr wichtig und es gibt hier noch viel zu tun…. Noch habe ich nicht die Mittel und Zeit…aber ich würde mich gerne vielleicht in der Zukunft mehr einmischen….

Was vermisst du an Deutschland? 

Deutschland ist der Platz, wo ich geboren bin, und das erste Mal geatmet habe und viel gutes mitnehmen durfte und sehr dankbar bin. Vermisse im Sommer einen kalten Regen und manchmal die klaren Strukturen.

Wie ist dein Verhältnis zu Deutschland und hat sich in der Beziehung etwas geändert, seitdem du hier bist?

Deutschland hat bei mir seinen Platz als meinen Geburtsort, aber nie als Heimat gehabt. Dieser Konflikt ist heute gelöst. Israel ist meine Heimat und Deutschland das Land in dem ich geboren wurde und eine gute erste Erziehung genießen durfte. Heute ist es klar und ohne Konflikt. Früher war die Frage belastender für mich.

Was liebst du an Israel?

Ich habe “in Israel” viel an Kraft investiert um zu versuchen es zu verstehen…Ich bin besser geworden und einiges ist mir klarer geworden, aber dieses Land hat zuviel Energie, zu viele Facetten und zu viel von vielem, dass ich noch nicht verstehen kann. Israel ist heute “Home”, und ich liebe, dass ich mich so aufregen kann wie nirgendwo anders auf der Welt, aber auch so lachen und Dinge erleben kann, wie nirgendwo anders.

Was kann deiner Meinung nach hier in Israel verbessert werden?

Israel hat einige Herausforderungen! Ich glaube wir müssen lernen, mal durchzuatmen und nicht nur zu rennen…von einer Herausforderung zur nächsten. Wir sind jetzt fast 10 Millionen Einwohner und wir müssen jetzt schauen wie wir hier zusammenleben wollen …. Ich habe das Gefühl, dass uns diese Frage und Klärung der eigenen Identität und etwas Ruhe ganz gut tun könnte.

Was liebst du an deiner Stadt?

Tel Aviv ist die Stadt, die mich willkommen geheißen hat und ich habe seitdem in vielen Ecken und Cafes gelebt. Tel Aviv ist ein sehr guter Einstieg gewesen für mich ins Land, ohne dass man alles was der Tel Aviv Life Style so mit sich bringt, unbedingt miterleben muss. Aber es ist eine Stadt die nach Leben schreit und am Yom Kippur 25 Stunden geschlossen zu sein fällt ihr schwer… Die Promenade und der Strand und sich wenig Gedanken zu machen was denkt der/ die NachbarIn, ist ein gutes Gefühl. Wenn ich mit dem Flugzeug die ersten Straßenstriche von Tel Aviv sehe, denke ich …das ist die Stadt, die ich kenne und in der ich lebe…. Ob ich hier für immer bleibe, weiß ich noch nicht sicher. Aber sie hat mich sehr gut aufgenommen! Toda 😉

Die Medien konzentrieren sich immer auf den Konflikt zwischen Arabern und Israelis. Kennst du ein Beispiel vom friedlichen Zusammenleben aus dem Alltag, was Hoffnung für die Zukunft gibt? 

Selbst in Tel Aviv sind um die 10% der Bevölkerung israelische AraberInnen, die israelische Fußballnationalmannschaft hat fünf israelisch-arabische Spieler und im israelischen Parlament gibt es 15 israelisch-arabische Knesset-Mitglieder…. Ich glaube, einer der Gründe warum wir uns manchmal so heftig streiten, ist, weil wir aus derselben Familie von Abraham / Ibrahim stammen. Wir könnten das schaffen, Inshallah!!!

Was für eine Anekdote fällt dir spontan ein, die nur hier passieren kann. 

Israel hatte Preise dessen Währung es gar nicht gab. 5.76 NIS es gab keine “Cents” in Israel, Aber es gab solche Preise und es hat irgendwie außer mir keinen gestört. Ich habe darüber jahrelang gegrübelt….wieso es entweder diese Währung nicht gibt, oder es nicht abgeschafft wird??? Bis ich gelernt habe “ze ma jesh” (=so ist es halt) und leb weiter….es wird sich schon regeln….

Was ist dein Lieblingswort im Hebräischen?

“Toda raba” = Vielen Dank! Die Menschen hören es gerne und es beruhigt alle für ein paar Sekunden.

Wenn du nochmal Aliyah (nach Israel einwandern) machen würdest, was für Tipps würdest du dir selbst geben, mit dem Wissen, dass du heute hast?

Viele Fragen sind technischer Natur und die lösen sich plus/minus mit der Zeit. Ich habe etwas die Phase der mentalen-seelischen Anpassung unterschätzt und das dauert etwas länger, als ich erwartet habe….mein erste Phase des Aliyah Prozesses bestand aus  ca. 8 Jahren…ich habe gemerkt, dass ich am Bankautomaten nicht mehr auf Englisch sondern auf Hebräisch drücke und im Flugzeug statt “Die Welt” nach einer israelischen Zeitung gefragt habe….wie gesagt das war die erste Phase….

Was empfindest du als Zuhause?

Sorry, sehr wenig romantisch zionistisch…. Aber eine Schawarma mit Lafa bei “Faruk” in Or Yehuda, mit Charif (= scharf) und Hummus, Chips all you can eat und Diet Cola…. Home sweet home!!! 

Und ein Soldat der nach Hause kommt und seine Mutter ihm sein Lieblingsessen vorbereitet.

Und Eurovision gewinnen ab und zu 😉

Wir danken für das Interview! 

Leah hat 2004 Alijah gemacht. In Deutschland war sie Regieassistentin am Münchener Residenztheater für Dieter Dorn tätig, am Berliner Ensemble und den Salzburger Festspielen von Claus Peyman engagiert.
Seit sie in Israel ist, beschäftigt sie sich mit Content und Community Management für High Tech Firmen.

5 3 Abstimmung
Article Rating
Abonnieren
Informieren Sie mich
guest
4 Comments
Älteste
Letzte Am meisten gewählt
Meinung innerhalb des Texte
Alle Kommentare ansehen
Henry Jakubowicz

Leah, vielen Dank das du es geschafft hast meine Antworten zu korrigieren , sie jedoch im Inhalt nicht zu veraendern! Toda raba !!! Henry

Lior Rujder
3 Jahre

Bester Mann Henry!!! Tolles Interview Lea . Well Done

Patrick Goldfein
Patrick Goldfein
3 Jahre
Antworten  Lior Rujder

Schön von dir zu hören, Henry. Danke für die reflektierten Worte.

Yariv
Yariv
3 Jahre

Hallo Henry,
Bin positiv überrascht gewesen. Wahre Worte….
Dein ehem. ‚Doppelgänger ‚ 😉

Vorherigen Artikel

Israel ist ein Grillmeister

Nächsten Artikel

Ein schwarzer Panther

Spätestens abBlog

Ende und Anfang

Seew, ein Mossadagent auf dem Höhepunkt seiner Karriere und in der Mitte seines Lebens, erkrankt plötzlich

4
0
Was denken Sie? Wir würden gerne Ihre Meinung erfahren!x