#IstanbulluGelin, Die Braut aus Israel, Istanbullu Gelin
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Die Braut aus Istanbul, die Gäste aus Tel Aviv

„Nicht Superman, Faruk…“

…sagt der gutaussehende, graumelierte Mann zu der jungen Frau an der Bar, und streckt charmant lächeln seine Hand aus. Die Frau erwidert das Lächeln, und schaut ihm beim Händeschütteln tief in die Augen.

Dies ist eine Szene aus „die Braut aus Istanbul“ („Istanbullu Gelin“ im Original), einer türkischen Seifenoper, die die Welt erobert – und vor allem in Israel hochbeliebt ist: So sitzen nicht fast eine Million Israelis vier Mal die Woche vor dem Seifenopersender „Viva“, um sich mit hebräischen Untertitel das Drama um Faruk und Sürraya anzuschauen – es gibt auch eine Facebookgruppe für Die-Hard-Fans namens „Braut aus Istanbul – nur für Süchtige“, bei der sich 70.000 Mitglieder die Folgen bereits ein paar Tage im türkischen Fernsehen anschauen (natürlich ohne Untertitel, und die meisten Israelis sprechen kein Wort türkisch), und sich über das romantischste Liebespaar seit Romeo und Julia, die Klassenunterschiede und über Asma, die böse Schwiegermutter austauschen.

Israel-Türkei: die Seifenoper

Wie sehr die Verhältnisse Israels zur Türkei einer Seifenoper ähneln, konnte man diese Woche erleben: einerseits waren Tickets für den Besuch der Stars der “Braut aus Istanbul” im April bereits ausverkauft, und eine weitere Vorstellung musste hinzugefügt werden. Andererseits lieferten sich der türkische Präsident Erdogan mit Jair Netanjahu (Sohn des Premierministers) auf Twitter einen Schlagabtausch, der seinesgleichen suchen kann: Als Antwort auf Erdogans Vorwurf, Israel begehe “Staatsterror” gegen die Palästinenser, beschimpfte Benjamin Netanjahu ihn als Tyrannen, der kein Recht hätte, Israel in Sachen Demokratie Nachhilfestunden zu geben. Netanjahus Sohn Jair, auf sozialen Netzwerken nicht gerade als Zimperling bekannt, setzte nach: im Gegensatz zu der ewigen Hauptstadt des jüdischen Staates, Jerusalem, sei Istanbul erst in der Moderne von “Konstantinopel”, der Hauptstadt des byzantischen Imperiums so umbenannt worden. Als Antwort gab Erdogan Netanjahu jr. die Mitschuld an dem Massaker in der Moschee in Christchurch, Neuseeland.

Marmara vs. “alles inklusive”

Diese Zweispaltigkeit ist nicht neu: so bekriegte man sich oft, manchmal auch gleichzeitig,  auf Regierungsebene, während auf Ebene der beiden Völker die Beziehungen sehr gut waren:

Als Beispiel für Ersteres kann man die “Mavi Marmara” nennen, als ein von Türken angeführtes Schiff die Blockade in Gaza stoppen wollten, und sich Auseinandersetzungen mit israelischen Soldaten lieferten – schlussendlich wurden sieben israelische Soldaten verletzt, und neun der Schiffsaktivisten getötet. Als der stellvertretende Außenminister Danny Ayalon dem türkischen Botschafter Israels,  Ahmet Oguz Celikkol, daraufhin zu einem Rügungsgespräch einlud, setzte er ihn vorsätzlich auf einen niedrigeren Stuhl als sich selbst, und erniedrigte ihn weiterhin, indem er auf Hebräisch (für den Botschafter unverständlich) damit angab, und auch damit, dass im Zimmer zwar eine israelische, aber keine türkische Flagge hing.

Gleichzeitig war Israel seit jeher ein beliebtes Reiseziel der Israelis, wo man sehr billig Urlaub machen konnte, und wo immer “hakol kollel” (alles inklusive) war. In letzter Zeit kommt zum „normalen“ Tourismus eine weitere Variante hinzu: An Haarausfall leidende israelische Männer (und da gibt es nicht wenige!) fahren in die Türkei, um sich Haare implantieren zu lassen…

Auch der Fussball kann hier nicht fehlen: So hatte die türkische Nationalmannschaft nicht wenige israelische Fans bei vielen Fussballweltmeisterschaften (Israel war das letzte – und bis jetzt einzige Mal 1970 dabei), zumindest bis zur “Mavi Marmara”. Vorher war ein Israeli ein Superstar des türkischen Fussballs: Es handelt sich dabei um Chaim Revivo, der mit Fenerbahce Istanbul 2002 nicht nur die türkische Liga gewann, sondern auch zum besten Spieler der Liga gekürt wurde.

Eine verkleidete Beziehung

In diesen Tagen feiert man in Israel Purim, das ist eine Art jüdischer Karneval. Vielleicht ist dieser Feiertag auch symbolisch für das israelisch-türkische Verhältnis: Einerseits “verkleidet” man sich als Erzfeinde – siehe Erdogan und Netanjahu – andererseits arbeitet man hinter den Kulissen sehr eng zusammen, sei es im Tourismus, in der Wirtschaft oder militärisch.

Für die israelischen Fans der “Braut aus Istanbul” ist dies alles zweitrangig – sie warten gespannt auf “Faruk” und “Sürraya”, sowohl im Fernsehen als auch live. Eine hebräische Version des Titellieds der Show gibt es bereit, und man munkelt, dass bereits an einer israelischen Version der “Braut aus Istanbul” gearbeitet wird…

Benjamin Rosendahl ist Projektleiter, Übersetzer und Journalist. In München geboren, lebt er in Tel Aviv mit seiner Frau Liron und der gemeinsamen Tochter Alma.

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[…] Von Benjamin Rosendahl Erschienen bei: Re:Levant, 20.03.2019 […]

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