Was ist Medical Device?
Es geht hier um Gegenstände, Stoffe oder Software der medizinischen Therapie oder Diagnostik die meist physikalisch oder physikochemisch sind, d.h. keine Arzneimittel, sondern Ingenieurprodukte wie Insulinpumpen (die Spritzen ersetzen), Endoskopiekameras oder Monitorgeräte für IVF (künstliche Befruchtung), die der Patientin physisch in den Körper eingereicht wird, und von dort aus dem Arzt berichtet, ob die Behandlung erfolgreich war (ohne, dass die Frau physisch zur Untersuchung kommen muss).
Medical Device in der Start-Up-Szene
Denkt man an Israels Start-Up-Szene, dann denkt man normalerweise an klassischen High-Tech, also Software, Webtechnologie o.ä. Und selbst im Bio-Medizin-Bereich ist Medical Device das „Sandwich-Kind“ zwischen Pharma und Biotechnologie.
Zu Unrecht: So ist Israel nicht nur im High-Tech weltweit führend, sondern auch in Medical Devices: Kein Land hat so viele Patente pro Kopf wie Israel in diesem Bereich (es gibt über 700 Medical Device Start-Up-Firmen in Israel, die meist 1-2 Patente anmelden).
Medical Device – in Zahlen
Auch finanziell kann sich Israel weltweit sehen lassen: So wird der Medical Device Markt auf 300 Milliarde Dollar geschätzt, von denen Israel alleine zwei Milliarden hinzusteuert. Es gibt, wie gesagt, über 700 Medical Device Start-Up-Firmen, von denen jedoch mehr als 50% nur 5 oder weniger Mitarbeiter haben. Große Firmen in diesem Bereich sind sehr selten: nur 3% der Medical Device Firmen haben mehr als 100 Mitarbeiter.
Medical Device – Probleme und Herausforderungen
Der Bereich Medical Devices hat grossen Ambitionen, nämlich zu helfen, Leben zu retten, oder zumindest Lebensqualität signifikant zu verbessern. Gleichzeitig sind viele Probleme und Herausforderungen damit verbessern:
Da sind zuerst die hohen Kosten zu benennen – während die Entwicklung einer App lediglich eine Garage, einen Laptop und 1-2 Hacker braucht, benötigen Medical Device Start-Ups grosse Räume für Experimente, teures Equipment und auch ein Budget für qualifizierte Fachkräfte (Ingenieure, Physiker, Ärzte, usw.).
Desweiteren sind die Risiken sehr hoch: so kann ein falsch berechnetes Produkt (z.B. bei falscher Dosierung durch die Insulinpumpe) oder ein Materialschaden (z.B. Problem bei der Fernsteuerung eines Endoskopieroboter) u.U. schwere Gesundheitsschäden oder sogar Tod hervorrufen. Auch kann sich das Produkt beim Experiment als nicht so effektiv wie ursprünglich gedacht beweisen, was zu weiteren Kosten und Aufwände für R&D führt. Schliesslich gibt es auch das finanzielle Risiko – selbst wenn das Patent genehmigt wird, und das Produkt wie geplant funktioniert, stellt sich die Frage, ob der Markt die Kosten deckt und profitabel wird – und wenn ja, wie lange das dauert (es kann sich um Jahre dauern).
Dies hat mit einer weiteren Herausforderung zu tun, nämlich der sehr komplexen Bürokratie: im Gegensatz zum klassischen High-Tech sind Patente hier langwierig und mit viel „Red Tape“ verbunden, von Genehmigungen der lokalen Gesundheitsbehörde, über den amerikanischen FDA (um profitabel zu sein, muss man in diesem Bereich exportfähig sein) bzw. den europäischen Pendanten.
Schliesslich schläft die Konkurrenz nicht – weder die israelische noch die weltweite. Und auch besteht die Gefahr, dass – wenn die Firma von einem multinationalen Konzern gekauft wird – einer feindlichen Übernahme.
Tikkun Olam
Zum Schluss sei gesagt, dass trotz der Problematik dieses Bereichs er wohl einer der nobelsten Errungenschaften der israelischen Start-Up-Szene ist: die Anzahl der Patienten weltweit, die durch israelische Medical Device Technologie geheilt wurden, sich den langersehnten Kinderwunsch erfüllen konnten, oder ein würdigeres Leben führen, ist fast endlos. Es ist dies die Realisierung des jüdischen Prinzips von „Tikkun Olam“ (Verbesserung der Welt), oder in den Worten eines Start-Up-Gründers im Medical Device Bereich: we make the world a better place, one patent at a time.
[…] Ursprünglich erschienen bei Re:Levant, 27.05.2019 […]