Muganut, israelische Missbrauchsopfer, Organisationen in Israel

Muganut hilft Missbrauchsopfern und Tätern

Wir von Re:Levant stellen euch diesmal in unserer Serie über israelische Non-Profit Organisationen Muganut vor. Hierzu haben wir Dani Schustermann interviewt. Muganut, the Israeli Protection Center ist eine Organisation, die sexuellen Missbrauchsopfer und Tätern hilft.

Erzähl uns etwas über Eure Organisation.

Muganut – the Israeli Protection Center also zu gut deutsch “das israelische Schutzzentrum” wurde offiziell im September 2019 gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Missbrauchsopfer, die sexueller Gewalt zum Opfer fielen, zu helfen. Der Gründer der Organisation, Rav Asher Melamed, beschäftigt sich seit 25 Jahren intensivst mit dem Thema. Er war 22 Jahre als Polizist und Rabbi bei der Polizei und hat zu Beginn seiner Pension entschlossen, seine Lebensbestimmung im Rahmen einer non profit Organisation weiter zu führen.

Es ist ganz wichtig, dass Missbrauchsopfer Vertrauen zur Polizei und den Behörden haben und nach Hilfe suchen, wenn sie diese brauchen. Die Philosophie unserer Organisation ist es, Hilfe holistisch anzubieten und jeden Fall und alle Aspekte der Tat zu behandeln. Das fängt bei dem Opfer an, aber da hören wir nicht auf. Wir bieten den Tätern Hilfe an, aber auch den Familien der Opfer. Die Familien stehen bei uns im Mittelpunkt. Warum? Heute ist es erwiesen, dass ein Opfer ein gesundes Umfeld braucht, um das Trauma, also die schwere seelische Verletzung, zu verarbeiten. Das heisst, dass auch die Familien eine Behandlung brauchen, da sie auch Opfer des gleichen Vergehens sind. 

Rav Asher

Rav Asher hat über die Jahre eine spezielle Technik entwickelt, mit welcher er es geschafft hat, dass Randgesellschaften mit Behörden kommunizieren und sogar zusammenarbeiten. Das war keine so leichte Aufgabe. Randgesellschaften, wie z.B. die Charedim (Ultraorthodoxe), Äthiopier, Araber, reden nicht gerne mit der Polizei und kooperieren noch weniger. 

Warum bedarf es einer Organisation wie eurer?

Wir sind die einzige Organisation in Israel, die sich um jeden kümmern, egal welchen Alters oder welchen Geschlechts, wir machen da keinen Unterschied. Unsere Hauptaufmerksamkeit gilt den Randgesellschaften. Was uns besonders macht, ist, dass wir uns um den gesamten Umfang der Tat und allen Involvierten rund um das Opfer, auch um die Täter kümmern, denn die müssen auch geheilt werden, da sie nicht nur ein Teil des Problems sind, sondern weiterhin eine potentielle Gefahr bedeuten, wenn man sie außer Acht läßt. Wir gehen das ganze Problem holistisch an. Jeder Fall ist ein eigener Fall und wird nach dessen Schwerpunkt individuell behandelt. Das Ziel der Organisation ist es, den steigenden Prozentsatz der sexuellen Übergriffe in den nächsten Jahren zu senken.

Kannst du uns etwas von dem Gründer der Organisation erzählen und wie er dazu gekommen ist? 

Muganut, Missbrauchsopfer, Israel, Rav, Rabbi
Das Team von Muganut.

Rav Asher Melamed kommt aus einer jemenitischen orthodoxen Familie aus Rosh Ha’ayin und ist in Israel geboren. Sein Vater war viele Jahre Bürgermeister von Rosh Ha’ayin. Nach der Jeschiwa (religiösen Schule) ist er zur Polizei gegangen, wo er über 22 Jahre als Rabbiner gedient hat. 

Ziemlich am Anfang seiner Karriere bei der Polizei, hat er sich bemüht, Wege zu finden, wie die Polizei mit Randgesellschaften wie z.B. der Ultraorthodoxen Gemeinde kommunizieren kann und eine Kooperation bei sexuellen Übergriffen aufbauen kann. 

Das war nicht so leicht, weil in diesen Gesellschaften ein anderer Kodex gilt und dieser dazu beiträgt, dass man kein Vertrauen zu den Behörden hat. 

Heute ist Rav Asher sozusagen die offizielle Anlaufstelle in Israel geworden, wenn sich jemand privat beraten möchte, bevor er zu den Behörden geht.

Was hat ihn bewegt, dem Thema treu zu bleiben und so zu unterstützen?

Jeder Jude ist mit einer Bestimmung geboren, er hat in diesem Thema seine Bestimmung erkannt. 

Wie bist du zur Organisation gestoßen?

Ich bin ursprünglich aus Wien und lebe inzwischen seit zusammengefasst mehr als 20  Jahren in Israel. Seit 25 Jahren bin in der Geschäftswelt tätig. Vor zirka 1,5 Jahren habe ich mir eine Auszeit genommen um zu lernen und mehr mit meiner Familie zu sein. Unter anderem habe ich auch Freiwilligenarbeit für verschiedene Organisationen geleistet. Ein gemeinsamer Freund hat mir von Rav Asher erzählt und ich konnte ihm bei den ersten Schritten zur Organisationsgründung ehrenamtlich unterstützen. Nach einiger Zeit hat er mich gefragt, ob ich mit ihm Seite an Seite arbeiten möchte, um die Organisation weiter aus- und aufzubauen. Er hat viel Erfahrung, was die Behörden angeht, aber brauchte jemanden, der die Organisationsleitung übernimmt. 

Warum bin ich hier…ich hoffe, dass ich der Welt damit dienen kann.

Dani Schustermann

Erzähl uns ein bisschen über die charedische (=ultraorthodoxe) Gesellschaft und wie sie mit Missbrauchsvorfällen umgeht und inwiefern sie sich von der säkularen Bevölkerung unterscheidet zu diesem Thema.  

Jede Randgesellschaft hat einen eigenen Kodex. Insofern, gibt es keinen Unterschied zwischen Charedim, Kibutznikim (Leute aus dem Kibbutz), Tel Aviv Hipstern, Beduinen, Kippot Srugot (moderne Orthodoxe) oder Äthiopier. 

Ein solcher Kodex führt in der Regel zu mehr Verschlossenheit und es entsteht mehr Misstrauen. Dies wiederum bewirkt, dass die Gemeinden, die Probleme von innen lösen möchten und nicht nach außen tragen wollen. Die spezifischen Charakteristiken sind teils verschieden aber die Herausforderung bleibt immer die Gleiche. Es muss ein Schlüssel gefunden werden, meistens über Anführer oder Gemeinde-Oberhaupte, die ein Vertrauen und somit eine Bereitschaft zur Kooperation aufbauen können.

Du erwähntest auch, dass ihr versucht Bündnisse mit äthiopischen und arabischen Gemeinden aufzubauen. Wie kam es dazu? 

Ich oder wir kennen uns nicht unbedingt mit jeder Kultur aus aber die Systematik ist immer die gleiche, da die Grundängste und somit die Verschlossenheit einem gemeinsamen Nenner haben. Wir versuchen die Wurzel des Problems zu lösen. Wir müssen die Führer der Gesellschaften ausfindig machen. Mal sind das Rabbiner, mal sind das die Reichen und mal die Stammesführer die das Verhalten der Gesellschaft beeinflussen. Wir geben ihnen das Werkzeug nach ihrem Bedarf und sie wissen wie ins Detail abgestimmt auf die Mentalität, Bedürfnisse ihrer Kommune einzugehen. 

Wie unterscheidet sich die Situation der Thematik des sexuellen Missbrauchs von den deutschsprachigen Ländern/ Schweiz, Österreich und Deutschland?

Wir sind noch nicht soweit, dass wir mit Organisationen und Behörden im Ausland Kontakt aufgenommen haben. Wir kennen den Zustand in Israel, aber haben noch keine Vergleiche mit anderen Ländern aufbauen können. 

Da sich Rabbiner aus dem Ausland auch an Rav Asher wenden, kann ich nur generell sagen, dass es dieselben Herausforderungen auch in den jüdischen Gemeinden im Ausland gibt. Hinzu kommt, dass die Rabbiner, wenn sie sich nicht an die offiziellen Behörden wenden wollen, keine professionelle Anlaufstelle in ihren unbedingten Umgebung haben und oft ratlos sind.

Wie unterscheidet sich eure Methode von den anderen Organisationen / Amutot? 

Wir bieten eine holistische Vorgehensweise an – jeder Fall wird rund um alle Aspekte behandelt: wir ermitteln die richtige Therapie, beziehen die Behörden und die Polizei mit ein, der Täter wird involviert, eine therapeutische Behandlung um “Recht” *- im Sinne von Annerkennung der Tat und seinem Ausmass gegenueber dem Opfer, vor der Familie und dem Täter wiederherzustellen, 

Wir veranlassen, dass die Familie des Opfers involviert und kostenfrei behandelt wird – jeder Angehörige muss für sich und für das Opfer lernen, wie man das Geschehene und den Fall verarbeitet. Die Familie muss lernen, wie es mit dem dem Opfer und sich selbst umgeht und das im Rahmen von bis zu zehn Treffen kostenlos. 

Im Gegensatz zu anderen Organisationen suchen wir die Nähe der Gemeinden und arbeiten in und aus Gemeinden heraus, wir sind aktiv in den Gemeinden involviert. Das Vertrauen muss in der Gemeinde erweckt werden und nicht im Rahmen der Organisation.

Wir geben Seminare die Eltern und Lehrer beibringen, eine Sprache mit den Kindern und Jugendlichen zu entwickeln, wie die in gefährlichen Situationen reagieren können. Die Techniken müssen zu Hause, bzw in der Schule geübt werden.

Wie finanziert ihr euch?

  1. Spenden (90%)
  2. Beratung an andere Organisation
    1. Organisationen die lernen wollen wie mit Randgesellschaften umzugehen
    2. Nicht jede therapeutische Organisation ist auf das Thema sexueller Missbrauch ausgebildet. Betreuung von Prostituierten zB. Die Organisationen suchen Beratung
  3. Seminare

Wie kann man euch unterstützen? 

Wir brauchen Spenden, ohne diese Hilfe, können wir nicht helfen. Fast alle Gelder kommen den Missbrauchsopfer zu Gute. Wir beauftragen professionelle Fachkräfte, wie zum Beispiel Therapeuten und Sozialarbeiter, die bezahlt werden müssen. Und da kommt so einiges zusammen. 

Was das Administrative betrifft, kriegen wir fast alles durch ehrenamtliche Arbeit von freiwilligen Helfern gedeckt, was ein Segen ist. Büroräume werden uns umsonst zur Verfügung gestellt.  

Wir danken für das Interview! 

Leah hat 2004 Alijah gemacht. In Deutschland war sie Regieassistentin am Münchener Residenztheater für Dieter Dorn tätig, am Berliner Ensemble und den Salzburger Festspielen von Claus Peyman engagiert.
Seit sie in Israel ist, beschäftigt sie sich mit Content und Community Management für High Tech Firmen.

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Henry Jakubowicz

Ich bin ehrlicherweise nicht ganz objektiv, da ich ein Freund vom Dani bin…aber es ist eine gute Sache dieser Organisation zu spenden !!! Vielen Dank fuer den Artikel !!!

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