WARNUNG: Grafische Details
Wird es dank neuer DNA-Technologie möglich sein, einen 37 Jahren alten Mord aufzuklären?
Im August ging eine Schlagzeile durch Israel, die die Gemüter erregten: 37 (!) Jahre nach der Ermordung der damals 11-jährigen Nawa Elimelech entschied sich die Polizei, ihre Gebeine aus dem Grab zu holen, um sie DNA-Tests unterziehen zu lassen. Es gäbe, so die offizielle Meldung der Polizei, neue Richtungen in der Fahndung. Mehr wurde nicht gesagt, und über die Details wurde Nachrichtensperre erteilt.
Handbuch des Verwirrten
Nawa Elimelech lebte in der Rambam-Strasse 15 in Bat-Jam, einem Vorort von Tel Aviv. Die Strasse ist nach dem jüdischen Philosophen und Rabbiner Rambam (auch Maimonides) genannt, dessen wohl wichtigstes Werk „Handbuch des Verwirrten“ hiess – wie symbolisch für diese Fall, wo außer dem brutalen Mord wenig klar ist.
Am 20. März 1982, ein Samstag, verliess die 11-jährige Nawa Elimelech, das jüngste Kind von Mazal und Machluf Elimelech, die gemeinsame Wohnung, um eine Freundin zu besuchen. Die Eltern schliefen, und so schrieb sie ihnen einen Zettel mit den Worten: „Mama und Papa, und Familie. Ich gehe spazieren. Macht Euch keine Sorge, ich komme zurück. Ich liebe Euch sehr.“ Sie verabschiedete sich noch von ihrer 19-jährigen Schwester.
Das war das letzte Mal, wo sie lebend gesehen wurde.
„Ich habe Dutzende Leichen gesehen…
…aber das war der schlimmste Anblick, den ich in meinem ganzen Leben vor Augen hatte“, sagt Polizeikommissar a.D. Moshe Kadmi, der damals die Ermittlungen führte (zitiert in einem Bericht der israelischen Tageszeitung „Jedioth Aharonot“). Es war der 10. Tag der Suche nach dem noch als vermisst geltenden Mädchen, als Kedmi einen Anruf von einem Kollegen erhielt: „Komm sofort zum Strand in Herzliyah!“
Dort hatten Sporttreibende eine zugeschnürte Plastiktüte gefunden, die ein Objekt enthielt. Es war der Kopf von Nawa Elimelech. „Das Bild des abgetrennten Kopfes konnte ich jahrelang nicht verdrängen. Erschwerend hinzu kam, dass meine eigene Tochter in Nawas Alter war. Es war schrecklich.“
Viele Richtungen, kein Fortschritt
Die Ermittlungen liefen monatelang, ohne Fortschritt, auch als am Strand von Tel Baruch (Tel Aviv) weitere Körperteile auftauchten, sorgfältig in Zeitungspapier gewickelt. Polizeikommissar a.D. Zwicka Wolf, der zusammen mit Kadmi die Ermittlungen leitete, ist sich sicher, dass die Gründlichkeit auf einen lang geplanten und bis ins Detail durchgezogenen Mord hindeutet, und auf keinen Fall eine Tat im Affekt gewesen sein konnte. „Wir dachten, dass es sich vielleicht um einen Chirurg handeln konnte“, meint Zwicka (zitiert in „Jedioth Aharonot“)
Eine andere Richtung war die These von einem politisch motivierten Mord – eine These, die der damalige Stabschef Rafael „Raful“ Eitan hegte – danach war der Mord eine Art „Aufnahmeprüfung“ für palästinensische Terroristen. Jitzchak Gantanio, der Teil des ursprünglichen Fahndungsteam war, bestätigte 2001 (in einem Interview mit der Radiostation „Galei Zahal“), dass auch der Inlandssicherheitsdienst Shabak diese Ansicht teilte, und sogar einen konkreten Verdächtigen hatte, der zum Zeitpunkt des Mordes in Bat-Jam gewesen war. Diese Linie wurde aber nie weiter verfolgt, und der mögliche Mörder starb als freier Mann in Jordanien.
„Wir hatten nur unsere Hände…“
…meint Kadmi. Es gab keine Handys, keine Überwachungskameras auf Straßen, und natürlich auch keine DNA-Tests. Und so mussten sich die Polizisten hauptsächlich auf Zeugenaussagen verlassen. Nach einigen Monaten verliefen sich alle Spuren im Sand, so dass sich die Ermittler in der Verzweiflung sogar auf Parapsychologen und Hypnose verließen – erfolglos. Es gab einige Verdächtige im Laufe der Jahre, u.a. einen Pädophilen, der heimlich kleine Mädchen, u.a. auch Nawa Elimelech fotografiert hatte, und Amos und Juda Schlaff, zwei Verdächtige, die aufgrund der Aussage der Frau von Juda Schlaff verhaftet worden waren – wobei aber eher ein Ehekonflikt als Mordverdacht eine Rolle gespielt hatte. Sie wurden aufgrund fehlender Beweise freigelassen.
„Mein Wunsch: einen Moment mit ihm alleine“
Bis jetzt. Die Polizei verschweigt sich über den Hintergrund des DNA-Tests, aber es gibt Andeutungen, dass der Mörder von Nawa Elimelech evtl. noch lebt. Die Technologie, die der Polizei jahrzehntelang gefehlt hatte, kann nun – nach 37 Jahren – den Fall lösen.
Wolf sagt, abschließend: „mein Wunsch ist es, mit dem Mörder alleine in einem Zimmer zu sein. Ohne Flüche, ohne Schläge. Nur ich und er. Dann werde ich ein Geständnis aus ihm heraubringen.“