Israel, Roman, Bohrer, Satire

Dondi Schwarz: Mow und Saguri und der gigantische Bohrer

Dieser satirische Science-Fiction-Roman handelt von Freundschaft, von Wahn, von Vertrauen, Geben und Verletzen, in einer Welt, die nur äußerlich in Ordnung ist.

Mow und Saguri haben beide Schwieriges hinter sich und suchen beide, jeder auf seine Art, das Ziel ihres Lebens. Diese Suche führt sie zum fantastischen Projekt des gigantischen Bohrers. Im vorliegenden Abschnitt ist das Projekt zwar noch nicht verwirklicht, aber es schlägt schon Wellen. Argaliot sind Kekse der Firma Ossem, jeder Israeli kennt sie. Mow, Metlop und Jehussasschar sind Namen, die im Hebräischen nicht existieren.

Dondi Schwarz lebt in einem Kibbutz im Süden, der in der Schusslinie des Gazastreifens liegt. Er schreibt Artikel in der Presse der Kibbutzbewegung und Romane. „Mow und Saguri und der gigantische Bohrer“ ist sein dritter Roman.

Israel, Roman, Bohrer, Mow, Dondi

Dondi Schwarz: Mow und Saguri und der gigantische Bohrer

Als Jehussasschar sein Auto parkierte, wusste er, dass der General ihm vielleicht keinen Glauben schenken würde.  Der Journalist war daher überrascht, dass der General ihn mit einer weißen Küchenschürze empfing und gerade die „Argaliot“ aus dem Ofen nahm, die er selbst gebacken hatte. Er bestand darauf, dass sein Gast davon kostete.

“ Sie kennen ‚J. Schatzki und Magow‘, ja?“ fragte der Journalist, als sie im Sitzungszimmer des Generals saßen. Dieses Zimmer hatten dicke Wände, und viele Geheimnisse wurden hier beredet.

„Ja, kenne ich“, antwortete der General. Er saß dem Journalisten mit verschränkten Armen gegenüber.

„Dieses Büro arbeitet offenbar schon seit einigen Monaten an einer merkwürdigen Erfindung, die man nicht unbeachtet lassen sollte, Jagur“, sagte der Journalist und erzählte während einigen Minuten die Geheimnisse des sagenhaften Bohrers, der hier entstand.

„Sie müssen verstehen, Jagur, der Initiator des Projekts ist ein ziemlich irrsinniger Mensch, der verschiedenen Gläubigern im Bereich der Immobilien Millionen schuldet. Er ist so dumm, dass er auf die größte Schwindelei in diesem Bereich hereingefallen ist, aber dazu fantasiert er auch noch die wildesten Ideen. Das Problem ist, dass er den Juwelier Eithan Leibowitsch aus New York überreden konnte, in ein Projekt zu investieren, das – wenn es Gott behüte verwirklicht werden sollte – jede Hoffnung zerstören wird, aus dem Staat Israel einen normalen Staat zu machen. Das ist jedenfalls meine persönliche Meinung“, sagte Jehussasschar und fuhr fort, die Einzelheiten über den kleinen atomaren Bohrer zu erklären, der jetzt auf dem Seeweg nach Israel war, und über den geplanten Zeitplan, und offenbarte dann:

„Niemand darf den geheimen riesigen Hangar betreten. Er wird von allen Seiten bewacht. Ich weiß nicht, wo und wann das grauenhafte Ding seine Arbeit aufnehmen soll, aber ich weiß, dass es ein Höllenwesen ist, und wenn Sie wissen wollen, wer an dieser Sache beteiligt ist, dann sollten sie wissen, dass der Partner von Metlop Saguri verrückt ist. Er wurde unter merkwürdigen Umständen aus der psychiatrischen Klinik entlassen und Saguri ist sein Vormund. Wie ich herausgefunden habe, sind die beiden Jugendfreunde, sie haben mal in einer Band zusammen gespielt und gesungen, ich habe glücklicherweise ihren Namen vergessen. Sie hatten damals so einen Song mit Banane und blauem Mond, der die Mädchen begeisterte, aber keiner von den beiden war Mick Jagger. Vielleicht sind sie sogar schwul, man kann heute nicht wissen…“ Jehussasschar erzählte nicht, dass er vom gleichen Kibbutz wie Mow war.

Während mehrerer Minuten erklärte der Journalist, dass Israel von der gesamten westlichen Welt geächtet würde, falls dieses Projekt wirklich zustande käme und die Welt davon erführe. Er meinte auch, dass es nirgends im ganzen Staat Israel ein Stück Land gäbe, wo es diesen beiden erlaubt wäre, so ein Loch zu bohren.

„Warum?“ rief der General. „Wenn sie es in meinem Garten bohren wollten, hätte keiner das Recht, etwas dagegen zu sagen. Das ist mein Land, ich hab es gekauft, und wenn ich will, kann ich hier ein Loch bis Beijing bohren.“ Und mit einem Augenzwinkern: „Wie sind meine ‚Argaliot‘? Ich hab auch welche mit Kokos.“

Es klopfte an der Tür, und der General erhob sich und öffnete sie. „Aba, Ja’ara hat mich geschlagen und Joghurt auf mir ausgeschüttet“, weinte der kleine Jotam, des Generals jüngster Sohn, und auf seinem Gesicht klebte eine weiße Flüssigkeit.

„Sag Ja’ara, sie soll sofort hierherkommen. Abtreten!“ befahl Jagur dem Kleinen, und dieser ging weinend von dannen.

Innert kürzester Zeit erschien die achtjährige Ja’ara mit ängstlichem Blick. „Ja’ara, ich will, dass du jeden Joghurt nimmst, den du findest, und alle nacheinander auf Jotam ausschüttest, bis er sich wehrt und dich verprügelt. Ich will, dass du ihm sagst, dass du ihn mit Joghurt beschmierst, bis er gewaltsam wird.“ Der General schnaubte, und seine Augen wurden zwei schmale Schlitze. „Wenn er dich nicht verprügelt, erhält keiner von euch Abendbrot, verstanden?!“

Das Mädchen antwortete kurz, dass sie verstehe und ging, ein bisschen Mitleid mit ihrem Bruder empfindend. Die beiden Männer sprachen noch eine weitere Viertelstunde über den sagenhaften Bohrer, und der General schätzte die ganze Sache als Witz oder Anekdote ein, so etwa wie das Friedensschiff von Abie Nathan, damals. In der Küche aber war jeder Joghurt, den Ja’ara finden konnte, auf Jotam ausgeschüttet, aber er war noch nicht genug wild geworden, und so verfluchte die kleine Ja’ara ihren Bruder mit Flüchen, die sie erfand. Jetzt endlich schlug Jotam auf seine Schwester ein, was ihr zwar nicht wehtat, aber dann nahm Jotam eine Gabel und stach auf sie ein. Es floss Blut aus Ja’aras Ellbogen, und sie begann zu weinen. Der kleine Bruder hatte seinen ersten Wutanfall und hörte nicht auf, auf seine Schwester einzuschlagen, Ja’ara flüchtete aus der Küche, als die Frau des Generals, Na’ama, nach Hause kam. Sie erkannte schnell, wer hinter der ganzen Sache steckte.

Sie verband Ja’aras Ellbogen und wusch sie im Waschzimmer. Dann nahm sie den kleinen Jotam zur Seite und flüsterte ihm zu: „Ich hatte gehofft, dass wenigstens du nicht so gewickelt sein würdest.“ Dann ging sie zum Sitzungszimmer und klopfte dreimal an die Tür. Als niemand antwortete, öffnete sie schmetternd die Tür. „Was hast du dir dabei gedacht, als du das getan hast? Jotam hat seine Schwester mit einer Gabel verletzt! Was glaubst du, wer du bist? Du und deine Argaliot! Schäm dich zum Teufel! Am Schluss wird dein Sohn unter deinem Einfluss noch Araber nachrennen, aber nicht mit einer Gabel! Mit all deiner strategischen Einsicht, bist du einfach… einfach…“ Die Frau, die einmal schön war, wurde von ihrem Weinen erschüttert. „Geh und heirate deinen Koch, den du aus dem Militär mitgebracht hast, und züchtet Argaliot“, sagte sie und wischte sich ihre Tränen.

„Gut, mein Freund“, wandte sich der General zum Journalisten, „ich glaube, es genügt jetzt, was wir über Ihren Blaumilchkanal gesprochen haben. Ich werde mich beraten und Ihnen berichten. Bis dann, da haben Sie recht: Wir werden totale Informationssperre verfügen. Kein Wort darüber soll heraussickern, weder Zeitungen, noch Internet, Nachrichten. Bis uns klar ist, ob es gut oder schlecht für die Juden ist“, grinste Jagur. Er stand auf und legte seinen Arm um die Hüfte seiner Frau.

Auf dem Weg hinaus hörte der Journalist den General noch sagen: „Na’ama, Na’ama, ich bin verrückt nach dir, wenn du weinst….“

Dondi Schwarz, Israel, Roman, Mow
Dondi Schwarz. (Photo: Ofer Gati)

Uri Shani ist in der Schweiz geboren und lebt seit 35 Jahren in Israel. Er ist professioneller Übersetzer für Literatur aus dem Hebräischen ins Deutsche. Sein "Übersetzer-Credo" könnt ihr im Link nachlesen:

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