Kibbuz, Israel, Liebe, Verrat, Konflikt, Roman, Kollektivismus

Verschwunden

Ran Goren ist 1942 im Kibbuz Merchawia geboren und dort aufgewachsen. Kibbuz Merchawia war das geistige und organisatorische Zentrum des „Kibbutz Ha’artzi-Haschomer Hatzair“, einer der drei Kibbuzbewegungen, und zwar die kollektivistischste, die sich auch während vieler Jahre an der UdSSR orientiert hat. Hier hatte Napoleon am 16. April 1799 die letzte Schlacht im Nahen Osten gewonnen, danach scheiterte er in Akko und kehrte nach Europa zurück. Goren diente 31 Jahre lang in der israelischen Armee als Pilot und als Kommandant in der Luftwaffe und im Generalstab. Nach seiner Pensionierung wandte er sich dem freien Markt zu und begann zu schreiben.

Sein erstes Buch „Vertigo“ (2011) ist ein Kriminalroman über einen Flugunfall, dessen Untersuchung Geheimnisse aus der Zeit des Oktoberkrieges (1973) lüftet.

Sein zweites Buch „Verschwunden“ (Yediot Achronot, 2018) ist ein epischer Roman, dessen Handlung fast dreißig Jahre umfasst, in einer stürmischen Zeit in der Geschichte des Staates und der Kibbuzbewegung. Auf dem Hintergrund der politischen Kämpfe beschreibt Goren die Geschichte von zwei Männern und einer Frau, die im Kibbuz geboren und aufgewachsen sind und sich schließlich dem Druck der Auseinandersetzungen, Konflikte, Liebesbeziehungen und Verrate ihrer Eltern und ihrer selbst dadurch entziehen, dass sie „verschwinden“. Der Kibbuz Sdot-Emek ist natürlich, wie alle Figuren und Ereignisse, erfunden.

Verschwunden

von Ran Goren

Übersetzung: Uri Shani

Zweites Kapitel:  Späte Elternschaft (1942)

Eine Staubwolke türmte sich über den Weg, der vom Berg herunterkam. Die Schafherde, die ihn bewirkt hatte, blieb hinter der düsteren Wolke verdeckt, die unklarer wurde, je tiefer die Sonne sich in den westlichen Horizont senkte. Die brennende Hitze während des Tages nahm ab, und ein leichter Abendwind trocknete den Schweiß, der auf Mutters Gesicht getropft war. Schnaufend und pustend trug sie mich, den sechsmonatigen, hellhaarigen und grünäugigen Säugling, auf dem Weg zu ihrem Mann, der von der Weide zurückkam, um mit ihm das Glück der neuen, sie beide erfüllenden Elternschaft zu teilen. Erst zwei Jahre war es her, seit sie sich im Kibbuz Sdot-Emek kennengelernt hatten, zu dem sie beide auf verschiedenen Lebensbahnen gestoßen waren.

Vater war zwanzig Jahre alt, als er das Rabbinerseminar in Kischinew beendet und seine Rabbinerwürde erworben hatte. Zum Widerwillen seines Vaters, eines wohlhabenden Händlers, der seinem Sohn eine blendende Zukunft als Rabbiner in seiner Stadt voraussagte, beschloss Vater überraschenderweise, nach Palästina auszuwandern. Es ist nicht klar, was ihn mehr antrieb – der zionistische Funken, der sich in ihm unter dem Einfluss seiner älteren Schwester entbrannte, die schon in der Dritten Alija nach Palästina ausgewandert war, oder die Bedrohung der Zwangsrekrutierung zum rumänischen Militär. So oder so, er wanderte nach Palästina aus und wurde „Chalutz“ („Pionier“). Er zog von Arbeit zu Arbeit, im südlichen Judäa baute er Straßen, in Petach-Tikwa pflückte er Zitrusfrüchte, und in Tel-Aviv schweißte er Stahl in der „Malachim“-Fabrik. Der junge, feine, schwächliche Mann entzog sich keiner schweren Arbeit. Schnell entsagte er sich den Glaubenspflichten und wurde Sozialist. Unter dem Einfluss seines neuen Glaubens – manche würden sagen: seiner neuen Religion – kam er zum Kibbuz Sdot-Emek. Nach einer kurzen Periode der Kandidatur wurde er als volles Mitglied aufgenommen. Der Arbeitsorganisator, der für jeden und jede entscheidet, wo er oder sie heute arbeitet, interessierte sich nicht für seine rabbinische Bildung und teilte ihn zur Arbeit mit den Schafen ein. So hielt er es auch, muss man zugeben, mit allen Kibbuzniks, von denen viele universitäre Bildung hatten oder Autodidakten waren, und für alle war maßgebend, was die Landwirtschaft brauchte, und alle erfüllten diesen Zweck mit ganzem Herzen. In den ersten Jahren arbeiteten auch die Wortführer der Kibbuzbewegung in der Landwirtschaft, erst später wurde ihre politische Aktivität zu ihrer Hauptbeschäftigung. Die Wichtigsten wurden dann auch nicht mehr an den Frei- und Festtagen zur Arbeit eingeteilt, und wegen ihres Ansehens protestierte niemand dagegen. Diese „Aktivisten“ drängten nicht darum, zur Arbeit eingeteilt zu werden, nicht einmal an den Wochenenden, bis sie schließlich gänzlich von der Arbeitseinteilung verschwanden.

Als neues, von der Ideologie begeistertes Mitglied akzeptierte Vater seine Einteilung in die Arbeit mit den Schafen mit frohem Mut. Mit einer endlosen Hingabe erfüllte er alle Aufgaben: er hütete die Schafe auf der Weide, melkte, fütterte und tränkte sie, nahm sich der Neugeborenen an, gab Medikamente, und natürlich scherte er einmal im Jahr die Wolle – ein festliches Ereignis, das mit einer großen körperlichen Anstrengung verbunden war. Dadurch entwickelte der studierte Rabbiner immense Bizepsmuskeln, die seinem Körper eigentlich fremd waren.

Mutter kam nach Sdot-Emek ein paar Jahre später. Im Gegensatz zu Vater, war sie schon von Kind auf im „Haschomer Hatzair“ in ihrer Heimatstadt Krakow in Polen gewesen. Sie kam nach Palästina im Rahmen einer Gruppe der Bewegung, die einen jungen Kibbuz im Süden stärken sollte. Trotz der ideologischen und praktischen Vorbereitung hatte die rebellische junge Frau Mühe, sich den festen Regeln des Kibbuzrahmens zu beugen. Als ihr das Pädagogikstudium verweigert wurde, wovon sie geträumt hatte, seit sie nur denken konnte, beschloss sie sofort, den Kibbuz zu verlassen, um ihren Traum auf eigene Faust zu verwirklichen. Nach Beendigung des Studiums im „Lewinsky“-Seminar, nördlich von Tel-Aviv, reagierte sie auf ein Inserat des Kibbuz Sdot-Emek und wurde als Grundschullehrerin angestellt. Im Kibbuz traf sie den sanftmütigen muskulösen Mann, der ihr Herz eroberte. Auch er fand Gefallen an ihr, und schnell schon bezog das junge Paar ein „Familienzimmer“. Als Partnerin eines Kibbuzniks wurde auch Mutter als Mitglied im Kibbuz aufgenommen. Eine gesetzliche Heirat gab es keine – das wäre nur mit einem Rabbiner gegangen und gegen die atheistische Einstellung im Kibbuz gewesen – aber die beiden, die schon bald ihr drittes Lebensjahrzehnt beendeten, beeilten sich, ihre elterliche Bestimmung zu verwirklichen. Und tatsächlich, ein Jahr danach wurde ich geboren. So wie sie mich ohne rabbinischen Segen auf die Welt brachten, so verzichteten sie auch auf die zeremonielle Beschneidung und begnügten sich mit einer medizinischen, die ein Arzt vom Krankenhaus „Ha’emek“ machte.

Mutters rebellische Natur, wegen derer sie ihren Kibbuz verlassen hatte, beruhigte sich auch nicht in diesem Kibbuz. Sie beklagte sich öfters und kritisierte die Kollektivisierung, mit der sie nie jemals einverstanden gewesen war. Ihre mürrische Kritik störte ihren weichmütigen und sich anpassenden Mann, der der Kibbuz-Ideologie mit ganzem Herzen treu war. Aber das elterliche gemeinsame Glück schob die Differenzen zur Seite. Ihre Partnerschaft, die zwar nicht aus einer stürmischen Verliebtheit, sondern aus dem Druck der tröpfelnden Sanduhr entstanden war, verstärkte sich immer mehr. Trotz der verschiedenen Temperamente und Neigungen wuchs zwischen den beiden eine gemeinsame Verpflichtung, sich gegenseitig gegen äußerliche Verletzung zu verteidigen und einander in Zeiten von innerlicher Not zu unterstützen. 

So wie jeden Tag ging Mutter zur Dämmerungsstunde hinaus, um ihren Mann zu begrüßen, der von der Weide zurückkam. Zu Fuß, mit dem Säugling auf dem Arm, durchquerte sie den Kibbuz vom Säuglingshaus bis zum „Haus der Bewegung“, wo die Büros der „Kibbutz Ha’artzi“-Leitung waren, und ging durch die Schranke beim Eingang des Kibbuz zur Straße hinaus, die zum nachbarlichen Moschaw Merchawim führte. Dort wo die Straße auf den nördlichen Feldweg traf, ging sie den Weg hinunter in Richtung der Staubwolke, der zwischen dem Friedhof und dem Krankenhaus den Berg hinunterqualmte, am östlichen Olivenhain vorbei und hin zu den Getreidefeldern, die zu beiden Seiten lagen. Ihr Ohr erkannte schon das Gebimmel des Leithammels, und ein wenig später hörte sie auch das Meckern der Schafe. Durch die dicke Staubwolke hindurch begann sie, die wollige Horde auf dem staubigen Weg zu erkennen.

Ihr Herz schwoll an, als sie endlich die Gestalt des ersehnten Hirten erblickte. Von der Distanz betrachtete sie seine weiten Schritte, seinen vorwärts gerichteten Körper, seine Hände, die mit wuchtigen Bewegungen in der Luft wedelten. Mit seinen viel zu großen Arbeitskleider und dem „Kowa Tembel“-Hut sah er etwas vogelscheuchenhaft aus, aber sie wusste sehr wohl, dass er keine Vogelscheuche war – sein Herz war menschlich und warm, und die Berührung seines Körpers und seiner starken Hände ließen sie vor Wonne erschaudern.

Sie winkte ihm zu, und er winkte zurück.

„Schalom, Yakowale“, rief sie ihm zu.

„Schalom, Dorke“, rief er zurück.

Er kam näher, bückte sich zu ihr hinunter und küsste sie leicht auf die Backe.

„Nimm ihn. Er sehnt sich so nach dir.“

Papa nahm mich mit seinen starken Händen und hob mich hoch über seinen Kopf hinauf. Danach hielt er mich auf seiner Augenhöhe. „Jingele, mein Jingele“, brummte er warmherzig, während er mich von Kopf bis Fuß abküsste.

Erst dann sah er, dass Mama schnaubte.

„Hast du ihn schon wieder auf den Händen bis hierhergetragen?“

„Was sonst? Was sollte ich tun? Die alten Kühe haben alle Wagen für sich genommen, und wie du weißt, gibt es nicht genug für alle.“

„Nu ja, das sind die Regeln“, sagte Papa. „Du musst lernen, dich durchzuschlagen. Mit dem zweiten Kind wirst du schon wissen, wie du zu einem Wagen vor den anderen Müttern kommst.“

„Ich glaube nicht, dass man um Kinderwagen wetteifern sollte. Es muss eine Regelung geben. Außerdem sollten sie noch ein paar Wagen kaufen, damit es genug für alle gebe.“ Sie war wütend.

„Ich werde das bei der ersten Gelegenheit der Kleinkinderkommission vorschlagen. Vielleicht nehmen sie den Vorschlag an“, antwortete Papa mit beruhigendem Ton und versuchte, das Thema zu beenden, das er selber angesprochen hatte.

Aber Mama hatte sich schon erhitzt und wollte nicht loslassen. „Ich bin nicht sicher, dass du wirklich die Welt verändern wirst, Jakowele. Du willst dich ja nicht mit den Alten anlegen, für so eine nebensächliche Sache. Aber ich werde nicht nachgeben. Ich werde mit aller Kraft gegen sie ankämpfen. Ich werde es nicht zulassen, dass mein Kind benachteiligt wird!“

„Na gut, Dorke, kämpfe nur gegen alle. Aber bevor du in die Schlacht ziehst, berate dich mit mir. Vielleicht finden wir einen friedlichen Weg, um unseren Willen zu erreichen.“

„Natürlich, das war schon immer deine Einstellung. Du hast zwar auf deinen friedlichen Wegen Einiges erreicht, aber nur zum allgemeinen Wohl. Deswegen mögen dich ja auch alle. Lass mal sehen, ob du auch für deine Familie etwas erreichen kannst. Jetzt geht es nicht mehr nur um uns zwei. Jetzt haben wir ein Kind, worum wir uns kümmern müssen.“

„Nicht wir sind es, die für unseren Sohn sorgen müssen. Der Kibbuz sorgt für ihn, so wie er für alle Kinder da ist. Kein Kind wird hier benachteiligt. Es gibt zwar nicht viel zu geben, aber das Wenige, das da ist, wird auf gleiche Weise an alle verteilt. Du musst deine Denkweise ändern, Dorke. Das wird dir nur gut tun.“

Während er sprach, streichelte Papa meinen Kopf immer wieder, als flüchte er sich darin vor der Qual, die ihm ihre Vorwürfe bereiteten.

Mama empfand seine Not und bemitleidete ihn, dass sie so auf ihm herumgehackt hatte – er war ja nicht verantwortlich für die Ungerechtigkeiten, die sich im Kibbuz ereigneten. Und vielleicht hatte er recht – es waren nicht Ungerechtigkeiten, sondern eine besondere Organisationsform mit einer eigenen Logik, und sie musste sich daran gewöhnen.

„Gut. Ich werde mir Mühe geben, meine Denkweise zu ändern.“

Papa beeilte sich, ihr Einlenken dazu zu benutzen, um das Thema zu wechseln. „Weißt du, was ich mir heute auf der Weide eingebildet habe?“

„Nein. Erzähl es mir, damit ich es weiß.“

Sie hatte schon immer seine biblischen Geschichten gemocht, die sich ihm offenbarten, wenn er vom Berg „Giv’at Hamoreh“ auf die vielen historischen Stätten blickte im Tal blickte. Einmal erzählte er ihr über den König Ahab, der sich mit Hilfe der hinterhältigen Machenschaften seiner Frau, der Königin Isebel, den Weinberg des Nabot angeeignet hatte, ein andermal über den Propheten Elija, der am Fuß des gegenüber liegenden Karmel-Berges vierhundert Priester des Baals ermordet hatte und mit dem Feuerwagen in einem Sturmwind in den Himmel emporgehoben worden war. Auch über den König Saul erzählte er ihr, der von Angstzuständen vor der Schlacht gegen die Philister befallen worden war und in der Nacht zuvor, in Frauenkleider verkleidet, zur Wahrsagerin von En-Dor gekommen war, damit sie den Propheten Samuel aus der Totenwelt hole und er sich mit ihm beraten könne. Aber der Prophet, anstatt seine Ängste zu beruhigen, eröffnete ihm, dass „das Königtum aus deiner Hand gerissen und einem anderen gegeben, dem David“ werde (1. Samuel, 28, Lutherbibel).“Auch wird der Herr das Heer Israels in die Hand der Philister geben.“ Und so geschah es, Saul wurde am Berg Gilboa geschlagen und beschloss, sich mit seinem eigenen Schwert hinzurichten, um nicht in die Hände der Feinde zu fallen. Papa erzählte ihr auch über den Propheten Elischa, der den toten Sohn der Sunamiterin zum Leben erweckte, und aus demselben Dorf Sunamit wurde dem König eine schöne Jungfrau, Awischag, gebracht, „um ihn aufzuwärmen, als es ihn frierte“, aber der König, der sein Bett mit so vielen Frauen teilte, war „alt und betagt“ und schaffte es nicht, „sie zu wissen“ (in der Bibel hat der Beischlaf etwas mit Wissen zu tun). Und zwischen dem Taborberg und dem Fluss Kischon befahl die Prophetin Deborah dem Barak ben Awinoam, dem ihr hörigen Oberbefehlshaber der Armee, gegen den kanaanitischen König Jawin in die Schlacht zu gehen, und nach seinem brillanten Sieg sang sie das Loblieb über ihn, wie auch über die Heldentat von Jael, die Frau des kenitischen Chewer, die mit einem Glas Milch Ssissra, den Oberbefehlshaber von Jawins Armee, verführte. „Ihre Hand streckte sie aus nach dem Pflock, ihre Rechte nach dem Hammer der Arbeiter. Sie hämmerte auf Ssissra ein, zermalmte sein Haupt, zerschlug, durchbohrte seine Schläfe. Zwischen ihren Füssen brach er in die Knie, stürzte, lag da…“ (Richter 5:26, Einheitsübersetzung)

Mama war neugierig, was für eine Geschichte er ihr heute erzählen würde.

„Heute morgen, als ich die Schafe auf dem „Giv’at hamoreh“ hütete“, begann Papa den gleichbleibenden Satz, von dem sich wie aus einem uralten Baumstamm an jedem Tag ein neuer Ast abzweigte, „sah ich in meiner Fantasie das Lager der Midianiter im Dorf Schunam, wie sie sich auf die Schlacht gegen Israel vorbereiteten. Und auf der anderen Seite des Tales, an der Charod-Quelle am Fuß des Gilboaberges, wählte Gideon die Kämpfer aus, die in die Schlacht ziehen sollten. Nur ‚wer das Wasser so schlürft, wie es der Hund macht‘, nahm er mit sich, denn nur der wird in keinem Moment sein Schwert aus der Hand legen. Auch psychologische Kriterien waren im Spiel: ‚Wer sich fürchtet und keinen Mut hat, soll nach Hause gehen und nicht das Herz seines Mitkämpfers erweichen.‘ (5. Mose, 20, 8) Er hatte hohe Ansprüche, ich wäre bei seinen Prüfungen durchgefallen.“

„Nicht jeder muss ein Kriegsheld sein, Jakowele. Ich liebe dich, so wie du bist.“

„Nein, Dorke, so wie ich bin, das ist nicht genug. Ich hielt noch nie eine Waffe in der Hand, aber unser Land braucht mutige Männer, die kämpfen können. Seit Abraham aus Haran ausgezogen ist und sich mit seiner Familie im Land Kanaan angesiedelt hat, und bis zum heutigen Tag, muss unser Volk gegen die Ureinwohner des Landes kämpfen. Sie haben uns noch nie mit offenen Armen akzeptiert. So auch heute – den Arabern sind wir ein Dorn im Auge, den man ausreißen muss. Aber wir haben kein anderes Land. In Europa vernichten die Nazis unser Volk massenweise, und Rommel erobert Nordafrika und hat schon die Grenze von Ägypten erreicht.“

„Denkst du, dass sie es bis hierher schaffen? Ich befürchte, wenn sie das Land erobern, werden sie uns alle vernichten“, sagte Mama in Sorge.

„Wir müssen hoffen, dass sie es nicht schaffen. In den letzten Wochen hat sich das Blatt gedreht. Montgomery hat Rommel in Al-Alamein gebremst. Aber die große Schlacht steht uns noch bevor. Der Krieg ist noch nicht gewonnen.“

„Und wenn die Deutschen gewinnen?“

„Dann werden wir gegen sie kämpfen. Wir werden unser Land und unsere Kinder verteidigen. Nur mit Waffengewalt können wir unsere Zukunft in diesem Land sichern. Deshalb muss ich mich im Kampf üben“, schloss Vater mit einem unterdrückten Stöhnen und drückte mich an sein Herz.

Mutter hängte sich bei ihm ein und schmiegte sich an ihn. Sie schwiegen und gingen weiter, in Richtung Kibbuz, und die Herde hinter ihnen her.

Uri Shani ist in der Schweiz geboren und lebt seit 35 Jahren in Israel. Er ist professioneller Übersetzer für Literatur aus dem Hebräischen ins Deutsche. Sein "Übersetzer-Credo" könnt ihr im Link nachlesen:

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Rosebud
Rosebud
4 Jahre

Kibbutz „Sde Emek“ ist zwar erfunden, aber die anderen erwaehnten Orte gibt es, und befinden sich alle im sogenannten Yizreel-Tal: „HaEmek“ ist das Krankenhaus von Afula, der Carmel-Berg, wo Eliyahu die falschen Propheten abschlachtete ist bei Yokneam (benannt nach einem biblischen Koenig), und auch Har Gilboa ist da nicht weit…

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