Mein Name ist Bassmat Perach. Bassmat ist eine kleine Blume, botanisch gesagt: eine Art von Springkraut, aber schon vorher war es ein biblischer Name. So heißen die Frau von Esau und eine Tochter von König Salomo. Meine Mutter hat mir diesen Namen gegeben und in mir dadurch auch meine Liebe zur Bibel und das Bewusstsein für weibliche Kraft eingepflanzt. Das Buch „Erdtot“ verbindet diese beiden Themen – es ist ein biblischer und feministischer Roman. Er handelt von der Königin Isebel, der Prinzessin Dido aus Karthago, und der Frau, die die beiden verbindet: Adama (zu deutsch: Erde). In der folgenden Szene befinden wir uns im Jahr 842 vor der christlichen Zeitrechnung, als Isebel stirbt, eine Geschichte, die schon vielfach erzählt und gemalt wurde, aber ich erzähle sie anders.
Erdtot
von Bassmat Perach
Übersetzung: Uri Shani
9.
Adama
Eines Abends eines kurzen und abnehmenden Mondes bat mich ein Weinhändler, zwei Weinkrüge in das Gasthaus im Stadtzentrum zu bringen, wo die Soldaten der Königswache weilten, und dafür bekäme ich eine Mahlzeit. Die Gäste waren fröhlich, aber ihre Beschwingtheit machte mir Angst. Im Moment, als ich das Lokal betrat, wusste ich, dass ich nur beten konnte. Ihr Kommandant war auch da. Die Gerüchte im Markt sagten, dass er sich wie die Heiden benehme und Jagd auf alle Frauen mache. Er war einen ganzen Kopf grösser als alle anderen. Sein Helm und seine Rüstung glänzten im Fackellicht, und seine Waffen lagen auf dem Holztisch. Er nahm mich wahr, als ich eintrat und machte mir mit seiner einzigen Hand ein Zeichen, ich solle zu ihm kommen.
Ich stellte die Krüge auf den Tisch und wollte wieder gehen, aber zwei seiner Männer packten mich an den Händen und setzten mich zwischen ihnen. Sie schenkten mir einen großen Becher mit Wein ein und schütteten ihn mir in den Hals, noch immer meine Hände haltend. Den ersten Becher trank ich in einem Zug und dachte, sie würden mich dann gehen lassen. Aber sie hatten Anderes vor. Gegen die anderen Becher wehrte ich mich vergebens. Der Geschmack des Weines war abstoßend, aber wahrscheinlich wären meine Erinnerungen ohne den Wein noch schlimmer. Der Wein ermöglichte mir, ihre Hände zu vergessen, die unter meinem Kleid wühlten. An ihre Gesichter kann ich mich nicht erinnern. Auch nicht an ihre Stimmen.
Aber seine Stimme konnte ich nicht vergessen.
Als sie mich mit dem Gesicht nach unten auf den langen Tisch legten, wollte ich nur die Augen schließen und einschlafen. Die Müdigkeit beherrschte mich, und ich hatte keine Kraft mehr, ihre Hände abzuwehren. Da spürte ich ihn hinter mir, und noch bevor er mein Kleid über meine Hüften ziehen konnte, drehte ich mich wie ein verletztes Tier um und zerkratzte ihm sein Gesicht. Er zückte sein Messer. Ich sprang auf, aber die Klinge schlitzte meine Hüfte. Die anderen Männer hielten ihn fest, dass er mich nicht endgültig erledige, und zwischen den Händen, die mich festhielten und wegstießen, wand ich mich hinaus und floh. Ich rannte durch die Gassen, blutete und fieberte, mein Körper voll von blauen Flecken. Als ich die Nische in der Mauer fand, brach ich zusammen. Die Hunde begrüßten mich.
Die Nacht ist kalt und trocken. Das Hundefell wärmt mich, ihre Flöhe ernähren sich von meinem Blut. Die ersten Sonnenstrahlen dringen in mein Versteck ein. Ein unbekanntes Geräusch, ein Ächzen und Knirschen eines holpernden Karrens und wiehernde Pferde, von weitem. Es ist viel los um den Palast, und das weckt mich auf. Auch die Hunde spüren das.
Ich gehe auf den Platz hinaus. Von der anderen Seite der Mauer höre ich den Galopp von Pferden, und obschon Isebel, die Königin, nicht früh aufsteht, ist ihr Fenster offen, und durch die Vorhänge sehe ich ihre Mägde. Erst vor ein paar Tagen gab es ein großes Gelage anlässlich des Treffens der beiden Könige von Israel und Juda. Ihre Rückkehr aus der Schlacht von Ramoth Gilead hatte eine große Freude in der Stadt ausgelöst. Vor lauter Fraß und Schmaus blähte sich mein verschrumpfter Magen, und jede Bewegung war mühsam. Gebäck, Geflügel und Fleisch wurden zu Mengen in den Hof geworfen, und meine Hundefreunde und ich sättigten uns hinreichend.
Heute morgen ist es anders. Jetzt höre ich wieder die galoppierenden Pferde. Von unten im Tal höre ich Trompeten, und wieder Karren und wiehernde Pferde. Von weitem hört man auch schreiende Menschen. Die Königin tritt auf den Balkon. Die Sonne blendet, ich kann nicht nach oben blicken, aber ich sehe ihre Silhouette.
Ich stehe auf und gehe in Richtung Balkon. Ich freue mich. Sie sieht mich, erkennt mich, sie will mit mir reden.
Aber noch bevor ich verstehe, was geschieht, weiche ich zurück. Die rote königliche Robe weht im Wind und der Körper der Königin fällt auf das steinerne Pflaster.
Ich höre einen schrecklichen Schrei. Das Blut zerrinnt zwischen den Pflastersteinen.
Sie stürzen sich auf sie, wie wenn sie ein Stück blutendes Fleisch wäre. Die Schreie werden lauter. Der Schmerz in meinen Ohren ist unerträglich. Ich versuche, sie zuzuhalten. Das Fleisch zerreißt, und die Teile ihres Körpers verteilen sich um mich. Ich presse meine Fäuste auf meine Ohren. Ich stehe, aber ich kann die Hunde nicht vertreiben, die zu Wildtieren geworden sind. Sie beißen und reißen Arme und Beine. Das rote Fleisch und die Knochenteile zerwühlen meinen Bauch. Das Weiß wird rot und grau und vor meinen Augen wird alles schwarz. Der Schrei wird immer lauter. Mein Bewusstsein schwindet.
Die heiße Luft und der Geruch wecken mich auf. Eine Weile liege ich zwischen den angebissenen Gliedern. Ich höre zuerst die Pferdeschritte, dann die Trompeten im Tal. Dann kommen die Trompeten näher, schließlich sind sie hier, im Palast.
Als ich die Augen öffne, sehe ich einen angebissenen Fuß, grau und gelb, mit schwarz gewordenen Blutflecken. An der großen Zehe ist ein Goldring, der mit einer Kette an den Knöchel verbunden ist. Noch bevor ich es schaffe, den Blick abzuwenden, übergebe ich mich. Der Fleischbrei umgibt mich von allen Seiten. Ein ohrenbetäubendes Fliegengetöse, und dann und wann blinkt etwas Goldiges. Ich krieche hin und nehme den Ring von der Zehe. Wilde Schreie ertönen aus dem Palast. Im nächsten Moment werden sie in den Gemächern der Königin sein.
Ich stütze mich auf meine Hände und schaue mich um. Fleischfetzen überall und Blut. Das Haupt der Königin. Ihre braunen Locken sind in weiße Fäden gewunden, ihre Augen geschlossen und ihre Lider geschminkt. Auf dem Kopf ein goldiger Kranz, mit grünen Edelsteinen. Auch den Kranz nehme ich sorgfältig ab. Ihre Hände sind nicht weit. Mit hellblauen und honigfarbenen Ringen. Die Ringe stecken an den Fingern der Königin. In ihrem Gemach schreit jemand: „Wo ist die Hure?“ Mit meinen Zähnen schaffe ich es, die Ringe von den blutenden Fingern zu befreien. Ich packe alles zusammen und verschwinde schnell in meinem Versteck.
Er steht an ihrem Fenster, beschmückt mit seinen glänzenden Waffen. Er ist es – Jehu. Ich presse mich so gut ich kann an die Mauer, damit er meine Füße nicht sähe. Jehu steht am Fenster und schaut auf den Hof. Auch er ist nicht aus Stein. Er verkrampft sich und übergibt sich in das Zimmer der toten Herrin. In der nächsten Nische lecken die Hunde immer noch etwas, das wie eine Lunge aussieht. Mein Atem stockt, und ich möchte nur verschwinden. Seine Soldaten könnten mich finden. Ich muss fliehen, bevor sie runterkommen, um das einzusammeln, was von ihr geblieben ist. Ich renne in den Hof, hoffend, nicht gesehen zu werden. Die rote Robe liegt noch dort, ich nehme sie schnell und renne zurück in meine Nische. Alle Schmuckstücke packe ich in die rote Robe und beeile ich, das Stadttor zu erreichen.
Excellent book. Enjoyed every single page. Very deep historical research tough me quite much newer staff in regrading that era. Highly recommend. Gil