Omer Berkman, Jahrgang 1974, ist Ingenieur in einer Software-Firma, hat zwei M.A.-Abschlüsse in Computer-Science und jüdischer Geschichte, eine Urkunde als Lektor und eine als Kampfkunsttrainer. Er lebt in Hod Hasharon mit Frau, zwei Söhnen und einem Huhn. Er publiziert Prosa und Lyrik, schrieb das Sachbuch „Die Kampfkunst“ (Asia, 2016), das die israelische Realität durch den Blick eines Kampfkunstmasters beschreibt, und das Theaterstück „Ein Hund namens Armut“ (zusammen mit Ophira Silberstein, Premiere im Jahr 2017), über den Kampf des Künstlers um Anerkennung.
Der folgende Abschnitt ist aus einem Roman, der noch nicht publiziert ist. Die Handlung findet während einer Ferienreise auf einer thailändischen Insel statt, wo sich verschiedene Aussteiger treffen. Jeder kommt aus einer anderen Welt, aber alle versuchen, sich neu zu erfinden, und wenn du vor etwas entfliehst, hast du nichts Besseres als die Liebe. Vor Beginn dieser Ferienreise, noch in Israel, treffen wir die Hauptperson zu Beginn einer stürmischen Liebesbeziehung, die ihm die Illusion erlaubt, dass er sich für eine große Sache hingibt, was zu prinzipiellen Fragen über die Liebe führt.
Sturm
von Omer Berkman
Übersetzung: Uri Shani
Sie sahen sich zum ersten Mal in einer Party, flüchtig, und dann nach ein paar Tagen auf der Straße. Sie nahm die Kopfhörer ab und sagte, dass das kein Zufall sein könne. Er war sofort einverstanden, und sein Blick erleuchtete. Ihr merkwürdiges Hinken ließ ihre Schultern tanzen und brachte einen wilden Rhythmus in seine Glieder. Ihre schönen Wangenbacken skizziertem ihm verschiedene Möglichkeiten, und er wählte die eine. Sie war auf dem Weg, Cds zu kaufen, er, Milch zu kaufen. Das kann kein Zufall sein, sagte sie und nickte. Er hatte einen freien Tag nach einer durcharbeiteten Nacht, und sie war immer frei. Er begleitete sie zu ihrer Wohnung, und blieb. Sie stülpte die Kopfhörer auf seinen Kopf, wollte ihm etwas aus sich selbst vorspielen. Er war müde, es gab kein Sofa in der kleinen Einzimmerwohnung, sodass er sich auf ihrem Bett hinlegte und einschlief. Vielleicht streichelte sie seinen Kopf. Vielleicht schaute sie lautlos fern. Vielleicht wartete sie nur einfach, Gott weiß wie lang. Sie kannten sich noch nicht richtig, aber sie deckte ihn mit ihrer Decke zu. Erstaunlicherweise küssten sie sich zum ersten Mal erst eine Woche später.
Am Abend, als er aufwachte, traf er sofort ihren grünlichen Blick.
Sie bestiegen sein Motorrad, sie schrie und nahm auch ihm den Helm ab, als kannte sie keine Angst. Sie fuhren zum Strand und fanden dort eine nächtliche Party, die sich freute sie hinzuzufügen. Vor allem sie. Er setzte sich hin, betrachtete ihren schlanken Körper, der sich den elektronischen Tönen hingab, und fragte sich, ob er die Kraft für so einen Sturm habe. Als sie schließlich ihre Augen öffnete, lächelte sie ihn an, nahm seine Hand, und sie gingen an einen einsamen Ort weiter.
Er dachte, er beeindrucke sie, aber hinterher verstand er, dass er nur versucht hatte, vor seiner eigenen Verlegenheit zu entfliehen. Und vielleicht war es die Umkehrung der Anziehungskraft. Er wollte nur schnell ins Wasser und wieder raus, aber ein starker nächtlicher Sog zog ihn hinein. Er schwamm in Richtung Festland und entfernte sich trotzdem von ihr. Sein Herz pochte immer stärker, ein lähmender Schreck versuchte, sich ihm zu bemächtigen, und er schätzte seine Chancen, wieder ans Ufer zu gelangen, als nicht sehr hoch ein. Er erwartete einen Strudel, der ihn hinunterziehen wollte, bereitete sich auf den Kampf vor, versuchte, seine Gedanken zu beruhigen und seine Glieder zu bewegen. Er hatte nicht vor aufzugeben, er dachte, dass er einen Angelpunkt habe, an dem er sich festhalten könne – ihr Bild, alleine am Strand, und sein Herz zuckte im Schmerz. Wenn er nur als Leiche aus dem Meer zurückkäme, hoffte er, dass sie es nicht sehen würde. Man sagt, dass in solchen Momenten das Leben vor des Sterbenden Augen erscheinen, aber er begnügte sich mit dem Bild von ihren Wangenknocken, ihrem Hinken. Er schloss die Augen und sank, in seinen Ohren die Musik und in seiner Einbildung tanzte sie. Seine Arme ermüdeten, sein Atem wurde schwer, aber er schwamm weiter und weiter, als hätte eine Maschine sich seines Körpers bemächtigt, das Wasser um ihn fühlte sich wie klebriger Schleim an, und manchmal ermutigte er sich, indem er ihren Namen rief. Schließlich sah er das Ufer wieder nahe, und dann konnte er auch wieder mit beiden Beinen stehen. Er atmete tief und war erstaunt, wie diese ganze Anstrengung plötzlich verflogen war.
Erst als er aus dem Wasser stieg, fern vom Ort, wo sie saß und auf ihn wartete, gab er nach und ließ der Angst freien Lauf. Auf festem Boden fühlte er sich schwach und wollte nicht, dass sie ihn so sähe, sein Brustkorb hob und senkte sich schnell, er zitterte in den Beinen. Er erbrach sich, legte sich auf die Seite, der Salzgeruch brannte in seine Nase sowohl Sieg wie Niederlage. Als er zu ihr zurückkam, fand er sie wütend vor, ihre dünnen Lippen zusammengepresst und ihre Augen schmale Schlitze. Ihre Hände umarmten sitzend ihre Knie. Ihre großen Zehen schlugen die Luft. Sie hob ihren Kopf und ohne etwas abzuwarten erzählte sie ihm vom Schmerz, von der Wut und von der Angst. Vom Hinken. Sie erzählte ihm alles über ihre Krankheit. Er war fassungslos über ihre Offenheit, die ohne Einleitung gekommen war, etwas in ihm erregte sich und schwoll über, wollte aus ihm heraus. Er verstand, dass diese Vehemenz eine schreckliche Angst zäumen wollte. Er setzte sich und umarmte ihre Hüfte. Er zitterte zwar noch nach dem Wirbel im Meer, aber er spürte, dass er die Kraft hatte, sie für immer zu halten. Nie erzählte er ihr, dass er in jener Nacht fast ertrunken wäre.
Eine Geschichte wie ein Wirbelwind! Ich hoffe, Omer findet einen Verlag (sowohl fuer Hebräisch als auch für deutsch)…