Die Videokonferenz-Firma ist eine der wenigen, die vom Corona-Virus profitiert hat: Nachdem die Welt auf Social Distancing umgestiegen ist, findet fast alles – von Arbeitsbesprechungen über Kindergeburtstage und bis zu Ballettstunden – über Zoom statt. Und es gibt auch eine israelische Connection.
Von Benjamin Rosendahl
Ein Witz, der keiner ist
Wer ist der einzige, der von Corona profitiert? Ein Chinese. So hört man es in letzter Zeit öfter. Mit dem Chinesen ist Erik Yuan gemeint, der Gründer und Geschäftsführer von Zoom Video Communications, oder kurz: Zoom.
Die Idee hatte Yuan Anfang der 1990er Jahren, als er Student für Ingenieurwissenschaft in der Shandong University of Science and Technologie in war, und in jeder Richtung 10 Stunden mit dem Zug fahren musste, um seine damalige Freundin (seine heutige Frau) zu treffen. Wie er in einigen Interviews bekanntgab, fasste er damals den Entschluss, eine Technologie für Internet-Videokonferenzen zu entwickeln – und nach Amerika zu ziehen, wo das Internet damals viel weiter als in seiner Heimat war.
Die israelische Connection
Zur gleichen Zeit, als Yuan 10 Stunden im Zug saß, um seine Freundin zu treffen, saß Oded Gal in einem Panzer, als Teil seines dreijährigen militärischen Pflichtdienstes, und überlegte sich wohl, wie er sein Ingenieurs-Abitur (vom Tel Aviver Ingenieursgymnasium) im Studium und der Berufswelt umsetzen würden.
Die beiden trafen sich 1997 in der Firma WebEx in San Francisco, die Yuan gegründet hatte, und wo Gal Ingenieur war. Yuan, dessen USA-Visa achtmal abgelehnt worden war, bevor er es beim neunten Mal endlich erhielt, war von den Fähigkeiten Gals sehr beeindruckt, und teilte mit ihm auch die Erfahrung als neuer Immigrant in Amerika. Als Yuan WebEx (das von Cisco aufgekauft wurde) verließ, um 2011 Zoom zu gründen, war Gal einer von 40 Ingenieuren, die er mitnahm. Heute ist Oded Gal stellvertretender Geschäftsführer von Zoom.
Wie Gal kürzlich in einem Interview der israelischen Zeitung Jedioth Achronot sagte, hatte er sich für die Auswanderung nach Amerika entschlossen, nachdem er arbeitsbedingt immer eine Woche pro Monat in Kalifornien verbringen musste. Es entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie, dass Gal sich diese Reisen hätte sparen können, wenn es die Technologie, die er mitentwickelt hatte, schon damals gegeben hätte. Dann wäre er wohl auch nicht nach Amerika ausgewandert (und Yuan wahrscheinlich auch nicht). Aber, wie das Klischee besagt: Das Leben ist das, was passiert, während wir etwas komplett anderes planen.
40 Minuten machen den Unterschied
Zoom ist nicht die einzige Firma, die Videokonferenz ermöglicht: was hat sie, was Skype, Whatsapp, Messenger usw. nicht haben?
Die Antwort liegt in der Quantität: Während Skype, Whatsapp usw. sich für Gespräche von 2-3 Teilnehmern, ermöglicht es Zoom, dass ganze Abteilungen von Firmen, mit mehr als zehn Mitglieder, ihre Treffen abhalten können. Bis zu Corona hatte Zoom daher auch fast ausschließlich Geschäftskunden, meist größere Firmen, aber auch viele Start-Ups, nicht wenige davon aus Israel.
Ein weiterer Unterschied zur Konkurrenz ist das Geschäftsmodell: Die ersten 40 Minuten sind immer kostenfrei bei Zoom, im Gegensatz zu Videokonferenz-Firmen, wo es eine kostenlose Probezeit gibt, aber danach die Kunden eine Mitgliedsgebühr zahlen müssen. Während bei dem Probezeit-Modell Kunden oft von Probezeit-Firma zu Probezeit-Firma wechseln, bleiben sie bei Zoom Kunden.
Seit Corona hat sich Zoom fast genauso schnell ausgebreitet wie das Virus und wird weltweit von Universitäten, Schulen und natürlich Firmen, die auf Home Office umgestiegen sind, genutzt.
Zoombooming und Zoombombing
Dieser Aufstieg bringt leider auch einige Probleme mit sich: So können Zoom-Besprechungen von den Teilnehmern aufgenommen werden, und damit interne Treffen an die Öffentlichkeit gelangen. Auch Hacker konnten sich in Treffen, zu denen sie nicht eingeladen waren, einloggen und Betriebsgeheimnisse herausfinden, oder Zugang zu Computer der Teilnehmer sich beschaffen.
Das sogenannte Zoombombing gibt es als Phänomen vor allem seit Corona und der weiten, öffentlichen Nutzung von Zoom: Hier schafft sich ein Hacker Zugang einer Zoom-Sitzung und zeigt auf den Bildschirm aller Teilnehmer eine Art von SPAM, meist pornografisches Material.
Zoom-Out
Was liegt in der Zukunft?
Nach dem Corona-Virus wird die Nutzung von Zoom wohl zurückgehen. Jedoch wird die Firma unzählige neue Kunden hinzugewonnen haben, die auch nachher bleiben werden.
Israel liegt Yuan und Gal sehr nahe, was sich u.a. daran zeigt, dass das Technion in Haifa kostenlos und ohne zeitliche Begrenzung ihre Software benutzen kann. Das macht grenzüberschreitende akademische Forschung – das Technion hat Zweigstellen in China und den USA – viel einfacher. Eine israelische Zweigstelle von Zoom sei, so Gal im Interview mit Jediot Achronot, zwar nicht konkret geplant, aber “wir denken daran.”
Zoom breitet sich mehr aus wie Corona – und wird am Tag nach der Epidemie auch noch da sein…