„Tel-Aviv Paradies Hölle“ (Totem, 2017) ist eine Geschichte über Beziehungen, über Liebe und Enttäuschung im heutigen Israel, aber zugleich ist es ein Roman in der Genre „Fantasy“, und wir erleben, wie ein Engel von Rang und ein ebenso erstrangiger Dämon beschließen, den Liebenden zu ihrem speziellen Projekt zu machen. Der Engel will seine Seele durch wahre Liebe retten. Der Dämon, Nummer achtundsiebzig, nutzt die Gelegenheit aus. Er wollte schon lange diesen Mann einmal so richtig unglücklich machen. Und daneben entwickelt sich eine Beziehung zwischen Dämon 78 mit der Dämonin 22, die wir in der nachfolgenden Szene antreffen.
Ohad Ouziel schreibt Literatur, aber auch fürs Fernsehen. Er übersetzte die „Politically Correct Bedtime Stories“ ins Hebräische und schrieb „100 Hidden truths of Parenting“, das auf Hebräisch und Englisch erschienen ist. „Tel-Aviv Paradies Hölle“ ist sein erster Roman.
Tel-Aviv Paradies Hölle
Von Ohad Ouziel
Übersetzung: Uri Shani
…. Zweiundzwanzig eilte zu ihm, als er zum Graben kam und umfasste ihn mit mindestens zwanzig Armen. Er spürte, wie sein goldener Panzer fast die Farbe von glänzendem Kupfer annahm.
Er hatte sich zwar schon daran gewöhnt, sie in den Gräben anzutreffen, die in den Tiefen der Hölle verstreut waren, da wo sich die Dämonen trafen, die ein bisschen abschalten wollten vom allgemeinen Getümmel, aber solche Ausdrücke von Zuneigung waren ihm zu viel. Besonders vor aller Welt. Dämonen hatten sich nicht so zu verhalten. Dämonen in leitender Position wie sie beide konnten sich zwar alles erlauben – wer würde schon einen zweistelligen Dämonen belehren? Aber das war eher ein theoretisches Recht als etwas, was man wirklich machte.
Siebenundachtzig war stolz darauf, dass er seine Verlegenheit überwunden, soweit, dass er in letzter Zeit mit ihr sprechen konnte, ohne zu stottern. Wenn es in der Hölle gute Seelen gegeben hätte, würden sie sogar sagen, dass er zu viel mit ihr sprach. Aber eine Umarmung, und dann noch eine Umarmung von Zweiundzwanzig, das war dann doch zu viel des Guten.
Die Umarmung einer Dämonin war eigentlich dazu da, die Lebenskraft auszusaugen. Er verstand, dass es nicht das war, was sie jetzt gemacht hatte, aber sie versetzte ihn in die Verlegenheit zurück, von der er schon geglaubt hatte, dass er sich befreit hatte und warf ihn direkt wieder in die Situation zurück, als sie sich kennengelernt hatten, und wie sie ihn so schrecklich verwirrt hatte. Das schien sie ganz und gar nicht zu stören. „Dein Engel ist ja ein wahrer Idiot!“ sagte sie fröhlich krächzend, nachdem sie ihn aus dem Wirrwarr ihrer Arme befreit hatte.
Siebenundachtzig hörte nicht richtig zu. Er dachte an zwei verschiedene Dinge: Das eine, wie betörend sie war, dass sie es wagte, ihn vor aller Welt und Hölle zu umarmen, und gleichzeitig versuchte er herauszufinden, ob jemand sie gesehen hatte und etwas Schädliches sagen könnte – schädlich vor allem, zuerst einmal, für ihn, angesichts der führenden Position von beiden, Siebenundachtzig und Zweiundzwanzig. Die Hölle ist gefährlich, aber der Überlebensinstinkt der Dämonen ist stärker als der von anderen Wesen. Er mochte ihre Umarmung, aber sie konnte dieselbe vernichtende Konsequenz haben, wie die Umarmung der Tochter des feudalen Gutsbesitzers, als er noch am Leben gewesen war.
Er schaute sich um. Abstoßende Wände, fleischig. Schreie von Gefolterten. Der mit Halogen schwach beleuchtete Graben selbst war voll von Dämonen, deren Anblick das Blut jedes Erdenmenschen erfrieren lassen würde. Kurz, nichts Interessantes.
Er sah, dass einige der Dämonen feindliche Blicke auf ihn warfen, aber nicht mehr als das. Es gab da keinen, der ihm auch nur ein Wort sagen würde, oder ihr. Er dachte wieder an sie, und an ihren Mut, dass sie ihn so umarmt und ihm ihr Innerstes eröffnet hatte, als wäre er wirklich nicht gefährlich für sie. Für einen Moment schöpfte er den Verdacht, dass sie ihn vielleicht nicht genügend respektierte, aber dann sagte er sich, dass er übertreibe – er war ja immerhin Siebenundachtzig, nicht irgendein erbärmlicher Vielstelliger, und er wusste, dass sie sich ihm gegenüber nicht despektierlich verhalten konnte, angesichts der Gefahr, die er für ihre physische Existenz bedeutete.
„Hörst du mich?“ fragte sie, halb scheltend, halb belustigt, da er nicht geantwortet hatte.
„Was? Ah.. ja. Du hast gesagt, dass mein Engel ein Idiot ist. Aber warum?“
„Weil er wahrscheinlich ein Mann ist und keine Sekunde ruhig bleiben kann. Tatsache. Dein Kerl hat alle möglichen Warnzeichen erhalten, und dann geht er und macht alles kaputt. Jetzt ist es wirklich schon schlimm. Das heißt: ausgezeichnet.“
[Im Versuch, die Atmosphäre zwischen dem menschlichen Liebespaar ein bisschen aufzulockern, trieb der Engel den Mann dazu an, der Frau einen Traum zu erzählen. Einen Traum mit einer anderen Frau, da er dachte, dass sie es lustig finden würde. Das klappte aber nicht….]
Tel Aviv ist derzeit Himmel und Hoelle zugleich, so wie der Rest der Welt. Sehr gut!